FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2024

Zinsen höher waren, niedrigere Baukosten und eine bessere Konjunktur. Scheibenecker: In der Hochkonjunkturphase im Immobilienmarkt haben wir Spreads zwischen den Renditen von risikolosen Veranlagungen und den Immobilienren- diten gesehen, die historisch betrachtet so hoch wie nie zuvor waren. Das hat meiner Meinung nach den Fokus so stark auf das Thema Zinsen und Renditen gerichtet. Die niedrigen Zinsen trieben die Immo- bilienpreise in die Höhe. Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Preistreiberei wieder- holt, wenn die Zinsen wieder so stark nach unten gehen? Ist das kaufmännisch und langfristig betrachtet für Investoren nicht äußerst riskant? Miller-Aichholz: Aus meiner Sicht sind Null- oder Negativzinsen nicht zu erwarten. Scheibenecker: Die institutionellen Investo- ren werden davon angetrieben, dass sie Renditen erzielen müssen, die besser als risikolose Anlagen wie zum Beispiel Staats- papiere sind. Was Sie ansprechen, ist die Frage, ob vielleicht mit unserem Wirt- schaftssystem insgesamt etwas nicht stimmt, wenn wir Nullzinsen brauchen, um das Werk am Laufen zu halten. Das ist aber kein Immobilien-, sondern ein wirt- schafts- und gesellschaftspolitisches Thema. In der Partystimmung wurden Immobilien zu jedemPreis gekauft. Das hat die Kosten- steigerungen zusätzlich beflügelt und den Blick darauf verstellt, dass sich auch die Nutzer die Preise leisten können müssen. Denn ohne langfristig stabile Mieteinnah- men rechnet sich keine Immobilie. Scheibenecker: Ich kenne einige Immobi- lieninvestoren in Wien, die in den letzten Jahre nichts mehr gekauft haben, weil sie genau die Aspekte, die Sie erwähnt haben, auch so kritisch gesehen haben. Diese In- vestoren arbeiten mit dem eigenen Geld, bewirtschaften ihre Immobilien selbst und investieren nicht, wenn sie das Gefühl ha- ben, dass sich die Preise für sie nicht mehr darstellen lassen.Demgegenüber stehen die vorher angesprochenen Fondsmanager, die hereinkommende Gelder veranlagen müs- sen. Und der Bauträger baut natürlich gern für einen Investor, der ihm um vier Prozent Einstandsrendite ein Büro- oder um drei Prozent ein Wohngebäude in einem For- ward-Deal abnimmt. Ich kann jede dieser Perspektiven nachvollziehen. Vor demHintergrund, dass der Anstieg der Immobilienpreise mit dem ewigen Markt- wachstum gerechtfertigt wurde, stellt sich doch die Frage, ob es gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist, so zu investieren? Zur Realität gehört doch auch, dass wir heuer so viele Insolvenzen in der Bau- und Immobilien- branche sehenwie schon lange nicht mehr. Firmen, die im Boom entstanden und ge- wachsen sind, bauen jetzt wieder ab. Das sieht nicht nach einem langfristig substan- ziellenWachstum aus. Scheibenecker: Die Investoren, die heute kau- fen, tun dies mit Gürtel und Hosenträger. Das steht außer Frage. Und die hohe An- zahl der Insolvenzen hat vermutlich auch mit der Corona-Förderpolitik zu tun. Miller-Aichholz: Ich möchte Ihnen noch wi- dersprechen! Es ist nicht so, dass Investoren zu jedem Preis gekauft haben und die Mie- ten während des Booms in unermessliche Höhen geschossen sind. Erst in den letzten eineinhalb Jahren sind die Wohnungsmie- ten so stark gestiegen, wobei die Mietent- wicklung in Österreich im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld liegt. Das » Die Investoren, die heute kaufen, tun dies mit Gürtel und Hosenträger. Das steht außer Frage. « Franz Scheibenecker, Pico VITA: Franz Scheibenecker Mag. Franz Scheibenecker studierte an der WU Wien Wirt- schaft und Recht. Er ist seit 2015 im Immobilienvertrieb tätig und begleitete bisher Transaktionen mit einem Gesamt- volumen von mehr als 1,25 Milliarden Euro. Nach dem Start in der Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung war er in leitenden Funktionen bei 3SI, EHL und ÖRAG tätig. FOTO: © MATHIAS KATZMAIR SACHWERTE Mathias Miller-Aichholz + Franz Scheibenecker | Pico Property Investment Consultants 144 fondsprofessionell.at 4/2024

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