FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2024
drei – und nicht einmal davon war ich überzeugt. Natürlich auch, weil ich nicht an die Re- zession glaubte. Noch einmal: Wir erleben eine Normalisie- rung, und die Wirtschaft kann gut mit normalen Zinsen um- gehen.Das ist ein gutes Zeichen. Und für den Fall, dass überra- schenderweise doch etwas schief- läuft, hat die Fed ihre Hand- lungsbereitschaft signalisiert. Für Überraschungen ist auch die Politik immer gut: Was er- warten Sie bei den US-Wahlen? Die Wahlen vorherzusagen ist wohl schwieriger, als den Ak- tienmarkt zu prognostizieren. Es reicht ja nicht, nur den Präsi- denten richtig zu tippen, son- dern man muss auch noch den Kongress korrekt antizipieren. Ich rate Investoren, dass ihre politischen Meinungen nicht ihre Anlagestrategie beeinflussen sollten. Weil politische Börsen kurze Beine haben? Wir hatten einen Bullenmarkt während Donald Trumps erster Amtszeit, wir hatten einen Bullenmarkt während Barak Oba- mas zwei Amtsperioden, und auch unter Präsident Joe Biden boomte die Börse. Und das obwohl sich die Wirtschaftspolitik der Demokraten und der Republikaner grundlegend unterscheidet. Präsidenten verweisen sehr gern darauf, wie viele Jobs sie geschaffen haben. Tatsache ist aber, dass die Wirtschaft diese Jobs schafft, und oft ge- nug tut sie das nicht wegen, sondern trotz der Wirtschaftspolitik. Es ist die Wirtschaft und nicht die Politik und natürlich die Fed, die mit ihrer Liquiditätsbereitstellung Kreditengpässe und damit die Rezession vermieden hat. Schauen Sie etwa auf die US-Ölproduktion: Sie ist auf Rekordni- veau, obwohl Präsident Biden auf eine Re- duktion der US-Ölförderung hinarbeiten wollte. Washington ist zwar wichtig, aber wir sollten das nicht überschätzen. Die Wirtschaft schafft es, trotz der Einmischung aus Washington zu wachsen. Und es han- delt sich wirklich um Einmischung, weil es keine konsistente Wirtschaftspolitik gibt: Wir fallen von einem Extrem ins andere. Die wirtschaftspolitischen Unterschiede wären bei den beiden jetzigen Präsident- schaftskandidaten wohl besonders aus- geprägt … Kurzfristig würde eine Präsidentin Kamala Harris eine wohl noch ausge- prägtere linksgerichtete Politik betreiben und ein Präsident Donald Trump eine noch aus- geprägtere rechtsgerichtete Poli- tik. Kurzfristig könnte das dis- ruptiv sein für Wirtschaft und Aktienmarkt. Aber für langfristi- ge Investoren ist es am besten, investiert zu bleiben. Auch da bleiben Sie also Opti- mist? Pessimismus scheint sich als An- lagestrategie gerade zu etablie- ren, aber diese Sichtweise ist an der Börse zum Verlieren ver- dammt, denn der Aktienmarkt steigt langfristig grundsätzlich. Wer immer nur skeptisch ist, wird keinen dauerhaften Erfolg haben. Es ist ein wenig wie mit dem US-Defizit. Seit ich vor mehr als 30 Jahren an der Wall Street begann, warnen Pessimis- ten vor den Folgen des Defizits. Beunruhigt Sie die Staatsverschuldung nicht? Aktuell nicht. Vielleicht wird das Defizit irgendwann zum Problem, aber dann wird es auch eine politische Lösung dafür geben. Wir hätten auch einen Tipp für Sie: Der deutsche Aktienmarkt ist sehr günstig im Vergleich zumUS-Markt. Deutschland kämpft mit mehreren Her- ausforderungen: Die produzierende Indus- trie hat echte Probleme, vor allem auch wegen der Konkurrenz mit China, und auch der Übergang zur Klimaneutralität belastet Deutschlands traditionelle Indus- trie stark. Sorry, Deutschland, aber ich setze weiter auf die USA. Vielen Dank für dieses Gespräch. JOCHEN HÄGELE FP KURZ-VITA: Ed Yardeni Edward (Ed) Yardeni begann seine Karriere 1976 als Volks- wirt bei der New Yorker Fed. Später arbeitete der promo- vierte Ökonom als Chefvolkswirt und Chefanlagestratege bei verschiedenen Investmenthäusern, unter anderem bei der Deutschen Bank. 2007 gründete er Yardeni Research. » Sorry, Deutschland, aber ich setze weiter auf die USA. « Ed Yardeni, Yardeni Research FOTO: © CHRISTOPHER GOODNEY I BLOOMBERG MARKT & STRATEGIE Ed Yardeni | Yardeni Research 88 fondsprofessionell.at 3/2024
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