FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2024
Fonds der Gruppe eins müssen die Aus- schlusskriterien beachten, die in den EU- Referenzwerten für den klimabedingten Wandel nach der Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 (englisch: Climate Transi- tion Benchmark) vorgesehen sind. Finden sich im Fondsnamen Begriffe wie „Um- welt“, „Environmental“, „Impact“ oder ver- wandte Bezeichnungen, sollen die strenge- ren Ausschlusskriterien der Paris-Aligned Benchmarks gelten. Was bedeutet „bedeutend“? „Ein Fonds, der nachhaltigkeitsverwand- te Wörter verwendet, muss außerdem eine ‚bedeutende‘Anlage in nachhaltige Investi- tionen tätigen“, erläutert Decker. „Die Defi- nition dessen, was als ‚bedeutend‘ genug gilt, um die Bezeichnung ESG oder nach- haltig zu rechtfertigen, bleibt im Wortlaut der ESMA-Leitlinie allerdings vage“, sagt er. Der deutsche Fondsverband BVI sieht hier Nachbesserungsbedarf. Immerhin lässt die Formulierung den Finanzaufsehern in der EU Raum für Interpretationen. Um nationale Sonderwege zu vermeiden, müs- se die ESMA ein einheitliches Verständnis der Guidelines sicherstellen, so der BVI. Nationale Sonderwege befürchtet auch Daniel Lühmann, Partner bei der interna- tionalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons. „Die ESMA-Leitlinien bieten den nationalen Finanzaufsichtsbehörden die Möglichkeit, diese eins zu eins umzu- setzen“, erklärt er. Eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nicht. „Im Endeffekt könnte jedes europäische Land die Benennung von ESG-Fonds anders handhaben. Da- durch droht eine große Zersplitterung“, mahnt der Experte. Erhebliche Auswirkungen Hortense Bioy, Leiterin Sustainable Inves- ting Research bei Morningstar Sustainaly- tics, ist der Ansicht, die neuen Guidelines könnten erhebliche Auswirkungen auf die Produktgestaltung oder aber auf die Be- nennung von nachhaltig investierenden Fonds haben. „Die Leitlinien haben das Potenzial, die ESG-Fondslandschaft in Europa komplett umzugestalten, weil mög- licherweise Tausende ESG-Fonds von den neuen Vorgaben betroffen sind“, schreibt sie in einer aktuellen Analyse. Dafür hat Morningstar Sustainalytics rund 4.300 Fonds mit Namensbestand- teilen untersucht, die Nachhaltigkeit sugge- rieren. Zu 2.500 dieser Produkte liegen Daten über die Aktienbestände vor. Davon wiederum sind mehr als 1.600 Fonds in mindestens eine Aktie investiert, die even- tuell gegen die Ausschlusskriterien der Climate Transition Benchmark oder der Paris-Aligned Benchmark verstößt. ESG aus dem Namen streichen „Das heißt, rund zwei Drittel der von uns identifizierten Fonds müssen sich möglicherweise entscheiden, ob sie sich entweder von diesen Titeln trennen oder ihr Image ändern wollen“, erklärt Bioy. Auf- grund der strengen Ausschlüsse nach der Paris-Aligned Benchmark erwartet die Expertin, dass viele Fonds das Kürzel „ESG“ und verwandte Begriffe aus ihren Namen streichen werden. Für den Fall, dass die Mindestschwelle für eine „bedeutende“ Allokation in nach- haltigen Investments auf 30 Prozent festge- legt werden sollte, rechnet sie damit, dass bestenfalls 56 Prozent der Fonds mit dem Begriff „nachhaltig“ im Namen diesen Begriff beibehalten können. Die übrigen Produkte müssten ihre Allokation in nach- haltigen Investments erhöhen, ihre Anlage- strategie anpassen oder sich umbenennen. Die Bafin macht ernst Die deutsche Finanzaufsicht steht den neuen Guidelines dennoch positiv gegen- über. „Die Leitlinien der ESMA sind sehr wichtig“, findet Thorsten Pötzsch, Exekutiv- direktor Wertpapieraufsicht /Asset Manage- ment bei der Bafin. Einheitliche Regeln für die gesamte EU seien überfällig gewesen. Die Behörde berücksichtigt die Vorgaben bei der Bearbeitung aller neuen Anträge auf Zulassung von Fonds bereits. Auch bei schon am Markt befindlichen Produkten sollen sie die Verwaltungspraxis, die die Finanzaufsicht vor zwei Jahren eingeführt hatte, vollständig ablösen. Bei den bisherigen Regelungen der Bafin ging es um die Verwendung von Nachhal- Hortense Bioy, Morningstar: „Die ESMA-Guidelines haben das Potenzial, die ESG-Fondslandschaft in Europa komplett umzugestalten.“ Andreas Serafin, Grant Thornton: „Für Asset Manager drängt die Zeit, denn die gegebenenfalls notwendigen Anpassungen können aufwendig sein.“ fondsprofessionell.at 3/2024 271 FOTO: © TW. KLEIN | GRANT THORTON, CHRIS RENTON | MORNINGSTAR
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=