FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2024

Weichkosten Der konkrete Umfang der Aufklärungs- pflichten ist zudem nicht immer eindeutig, wie das Beispiel der Aufklärungspflichten zu den Weichkosten zeigt. Unter dem Begriff „Weichkosten“ werden jene Kosten verstanden, die bei der Konzeption und beim Vertrieb eines geschlossenen Immo- bilienfonds entstehen und während der Investitionszeit anfallen (Kosten für Kapital- beschaffung, Rechtsberatung, Vertrieb etc.). Nach der Rechtsprechung muss der Anle- ger stets mit solchen Weichkosten rechnen. Eine Aufklärungspflicht über solche Kos- ten bestehe aber dann, wenn sie eine er- hebliche Höhe erreichen (z.B. OGH 3 Ob 190/16m). Wann ist also eine derartige „erhebliche Höhe“ erreicht? Dies ist nach der aktuellen Rechtsprechung im Einzelfall – insbesondere anhand der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden – zu bestimmen. So wird man einen unerfahrenen Kunden, der sich zum ersten Mal mit geschlossenen Immobilienfonds beschäftigt, bereits über geringe Weichkosten aufklären müssen. Mitverschulden des Kunden Selbst wenn ein Anlageberater nicht über sämtliche Risiken ausreichend genau berichtet, heißt das noch nicht, dass er einem Kunden einen allfälligen Schaden vollumfänglich ersetzen muss. Vielmehr muss der Anleger es sich anrechnen lassen, wenn ihm selbst bei seiner Anlageent- scheidung Fehler unterlaufen sind, womit ein „Mitverschulden“ vorliegt. Ein die Ersatzpflicht minderndes Mitverschulden kommt etwa dann in Betracht, wenn der Anleger selbst über entsprechende Kennt- nisse verfügt und ihm die Unrichtigkeit der Anlageberatung auffallen hätte müssen (RIS-Justiz RS102779). Ebenso kann ein Mitverschulden etwa dann vorliegen, wenn der Anleger Informationsmaterial nicht beachtet oder Risikohinweise nicht liest (etwa OGH 10 Ob 58/16a). Dies ist aber nicht immer zwingend der Fall, sondern nur dann, wenn dem Anleger das Nicht- Lesen als Sorglosigkeit in eigenen Angele- genheiten vorgeworfen werden kann (z.B. OGH 1 Ob 159/19t). Ob das tatsächlich vorliegt, ist eine Einzelfallentscheidung. Beratungsfehler Doch auch wenn die Beratung erfolg- reich abgeschlossen ist, lauern weitere Haf- tungsfallen. Oftmals passiert es, dass sich Anleger noch Jahre nach einer Investition nochmals an ihren Anlageberater wenden – insbesondere wenn sie mit dem Invest- ment nicht zufrieden sind. Gerade diese Fälle sind für Anlageberater besonders gefährlich: Kunden können nämlich Scha- denersatzansprüche nur innerhalb einer bestimmten Zeit ab Investition (in der Regel drei Jahre) geltend machen, ansons- ten sind sie verjährt. Reagiert der Anlage- berater aber falsch, kann es sein, dass sich diese Frist noch weiter verlängert. Insbeson- dere ist Vorsicht geboten, wenn der An- leger im Hinblick auf eingetretene oder befürchtete Verluste „beschwichtigt“ wird (Aussagen wie etwa „Es wird dringend empfohlen, nicht in Panik zu verfallen“). Sind diese Beschwichtigungen objektiv geeignet, das von dem Anleger nicht gewollte Risiko zu verschleiern und dies- bezügliche Bedenken zu zerstreuen, kann das die Verjährung hinauszögern. Ob das der Fall ist, richtet sich aber – wie so oft – danach, welche Informationen dem Kun- den konkret erteilt wurden und ob er auf Basis dieser Informationen davon ausgehen musste, ursprünglich schon nicht richtig beraten worden zu sein. Das ist deswegen wichtig, weil bei Bera- tungsfehlern im Zusammenhang mit Ver- anlagungs- oder Finanzierungskonzepten nach ständiger Rechtsprechung des OGH für den Beginn der Verjährung von An- sprüchen entscheidend ist, wann der geschädigte Anleger die Risikoträchtigkeit des Gesamtkonzepts erkennt. Anknüp- fungspunkt für den Beginn der dreijähri- gen Frist ist daher, wann dem Anleger be- wusst wird, dass das Gesamtkonzept nicht den geweckten Erwartungen oder Zusagen entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn der Anleger erkennt, dass das von ihm gewähl- te Anlagemodell aufgrund der tatsächlichen Entwicklung nicht oder nicht in dem zugesagten Ausmaß risikolos ist (OGH 1 Ob 190/16x, 1 Ob 28/17z, 8 Ob 109/17p). Was also tun? Angesichts der aktuellen Herausforde- rungen auf dem Immobilienmarkt stehen Anlageberater mehr denn je unter Druck, ihre Beratung möglichst konkret an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Die volatile Marktsituation erfordert eine präzi- se und umfassende Risikoaufklärung, um Anleger vor unerwarteten Verlusten zu schützen und Haftungsfälle zu vermeiden. Dabei ist auch eine ausreichende Doku- mentation unerlässlich, vor allem dann, wenn sich Kunden nach der bereits erfolg- ten Beratung wieder melden. Gerade dann ist eine Abwägung besonders wichtig, wel- che Aussagen getroffen werden, da dann unter Umständen erst wieder ein neues Haftungspotenzial entsteht. Als Richt- schnur empfiehlt es sich, allgemeine Aussa- gen wie etwa „Langfristig orientierte Anle- ger erzielen am Ende eine attraktive Rendi- te ihres Investments!“ zu vermeiden. Viel- mehr könnte darauf hingewiesen werden, dass ein Risiko eingetreten ist, über das in- formiert wurde. Die Autoren: Dr. Raphael Toman LL.M. (NYU) ist Partner, Mag. Melike Okulmus ist Associate in der auf Finanzmarktrecht spezialisierten Kanzlei BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH. FP Dr. Raphael Toman, BRANDL TALOS Rechtsanwälte Mag. Melike Okulmus, BRANDL TALOS Rechtsanwälte fondsprofessionell.at 3/2024 265 FOTO: © LUKAS PELZ I PRIMEPHOTO I BRANDL TALOS, UWE STRASSER I BRANDL TALOS

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