FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2024
Siegel unter Druck Die Zuneigung der Fondsbranche zu den Nachhaltigkeits-Labels ist abgekühlt. Nun liegen Ideen gegen den drohenden Liebesentzug auf dem Tisch – für Pragmatiker, nicht für Puristen. R usslands Angriff auf die Ukraine 2022 löste ein Börsenbeben aus, das in allen Sektoren die Kurse zum Einsturz brachte – außer bei Energie und Rüstung, die damals zu echten Performancecham- pions aufstiegen. Besonders schlimm ende- te dieses Desasterjahr für viele Fonds, die mit einem nachhaltigen Gütesiegel gelabelt waren.Denn fossile Energien und Rüstung sind bei ESG-Abzeichen in der Regel tabu; folglich war es den Portfoliomanagern solcher Fonds unmöglich, entsprechende Aktien zu kaufen, um den allgemeinen Abwärtssog abzubremsen. Dass klassische nachhaltige Finanzsiegel oft mit pauschalen Verboten arbeiten, ohne zwischen besseren und schlechteren Titeln zu unterscheiden, nervt viele der Lizenz- nehmer seit Langem. Nur war das Pro- blem bis 2022 nicht so drängend, weil ESG-Fonds davor einige Jahre tendenziell outperformt haben. Aktuell ist der Unmut über die eingeschränkten Diversifizierungs- möglichkeiten aber sehr groß. Ein Vertriebsprofi, der ungenannt blei- ben will, fasst gegenüber der Redaktion die Stimmung so zusammen: „Im Wholesale, Private Banking oder bei freien Vermittlern kursiert ESG momentan eher als Schimpf- wort.“Dort mit einem Label aufzutauchen, sei in vielen Fällen nicht zielführend. „Insti- tutionelle Investoren wie Pensions- oder Vorsorgekassen und teils auch Versicherer oder Dachfondsmanager bleiben aufgrund ihrer Vorgaben eher nolens volens dabei, obwohl sie Performanceeinbußen fürch- ten“, so der Experte. Aus Sicht von Dieter Aigner, Geschäfts- führer der zweitgrößten österreichischen Fondsgesellschaft Raiffeisen KAG, ist ein zu starres Festhalten an Ausschlusskriterien ebenfalls nicht mehr zeitgemäß. Etliche Produkte der Gesellschaft tragen das staat- liche Österreichische Umweltzeichen für Finanzprodukte (UZ 49) oder das FNG- Siegel des Forums Nachhaltige Geldanla- gen. Er stehe zu diesen Gütezeichen und verspüre nicht den Wunsch, eines davon zurückzulegen. Aigner wünscht sich aber mehr „Flexibilität und Weiterentwicklung“ bei den Labels; vor allem dass Investitionen in die Transition anerkannt werden. Dabei geht es um Unternehmen, die noch nicht grün sind, die es aber werden wollen und deren Wandel finanziert werden soll. Richtungsstreit Es ist ein Streitpunkt, ob Transition „grün“ ist – sie steht häufig unter Green- washing-Verdacht. Transitionsfonds kaufen etwa Unternehmen aus der Fossilindustrie wie BP oder Shell, weil diese auch erneuer- bare Energien erschließen, oder sie erwer- ben Minenfirmen, die Rohstoffe für E- Autos liefern. In Nachhaltigkeitssiegeln gab es für solche Strategien bisher wenig Platz. „Ja, diese Kritik kriegen wir auch wider- gespiegelt“, sagt Roland Kölsch, Ansprech- partner für das FNG-Siegel. Sein Team setzt » Die Siegel müssen sich anpassen, das haben jetzt alle verstanden. « Roland Kölsch, FNG Nachhaltigkeitssiegel sollten pragmatischer werden, wünschen sich viele Marktteilnehmer aus der Finanzindustrie. Sie fühlen sich von strengen Ausschlusskriterien zunehmend eingeengt. VERTRIEB & PRAXIS ESG-Fondsratings 228 fondsprofessionell.at 3/2024 FOTO: © MALP | STOCK.ADOBE.COM
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