FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2024
tionen haben können, die ihnen eigentlich eine andere Richtung vorgeben würden. Doch weil sie sich nicht genug vertrauen, investieren sie wie das Gros der Anleger. Sie haben die Erkenntnisse der Behavioral Finance einer weiteren, vertiefenden For- schung zugrunde gelegt, die sich unter anderem der Finanzberatung widmet. Welche Aspekte erforschen Sie? Auf dem Gebiet der Finanzberatung erfor- schen wir vor allem die Interaktion zwi- schen Kunde und Berater. In unserer ersten Studie dazu sind wir der Frage nachge- gangen, ob und wie sich eine Situation schaffen lässt, in der die Finanzberatung besonders effektiv ist. Dabei haben wir Bezug auf das Konzept der sozialen Homo- philie genommen und … … das müssten Sie bitte erst einmal ge- nauer erläutern. Ja, natürlich. Jeder kennt sicherlich den Spruch: „Gleich und gleich gesellt sich gern.“Darin spiegelt sich die soziale Homo- philie. Dieses Konzept aus der Soziologie besagt, dass Menschen andere Menschen umso mehr mögen, je ähnlicher sie ihnen sind. Daher bestimmt der Grad der demo- grafischen Ähnlichkeit auch darüber, wel- chenWert ein Ratschlag für den Ratsuchen- den hat. Für unsere Studie haben wir die Hypothese aufgestellt, dass in einer Finanz- beratung das Verständigungs- und Vertrau- ensverhältnis höher ist, wenn Kunde und Berater sich ähnlich sind. Das wollten wir auch messen und haben uns dafür einfach die Abschlussquoten angeschaut. Können Sie bitte kurz erläutern, wie Sie die Untersuchung aufgebaut haben? Wir haben die Protokolle von 3.500 Bera- tungsgesprächen analysiert, die uns eine deutsche Sparkasse zur Verfügung gestellt hat. Die Handlungsempfehlungen haben wir mit den daraufhin erfolgten Transaktio- nen abgeglichen und so die Abschluss- quote gemessen. Zu den Kunden hatten wir viele Informationen, darunter Alter, Geschlecht, Familien- und Berufsstand sowie Bildungsabschluss. Glücklicherweise hat uns die Sparkasse einen Teil dieser Informationen auch zu ihren Beratern übermittelt. So konnten wir untersuchen, ob die Abschlussquote umso höher ist, je mehr Merkmale übereinstimmen. Nun wird es interessant. Das finden wir auch. Unsere Hypothese hat sich tatsächlich bestätigt: Die Ähnlich- keit zwischen Kunde und Berater spielt für die Abschlussquote eine riesengroße Rolle. In unserer Studie haben wir nur vier Merk- male betrachtet.Die Abschlussquote lag im Durchschnitt bei 66 Prozent, wenn es bei keinem dieser Merkmale eine Übereinstim- mung gab. Stimmten hingegen alle Aspek- te überein, belief sich die durchschnittliche Abschlussquote auf 79 Prozent. Das ist eine wirklich signifikante Steigerung und betriebswirtschaftlich gesehen natürlich durchaus relevant. In der Vertriebssteue- rung von Banken wird das Phänomen der Homophilie in aller Regel aber überhaupt nicht berücksichtigt. Haben Sie in Ihrer Studie noch weitere Erkenntnisse gewonnen? Sicher, es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass bei verheirateten Kundinnen mit Kindern die Abschlussquote höher ist, wenn der Be- rater oder die Beraterin ebenfalls verheiratet ist und Kinder hat. Bei Männern ist die Quote höher, wenn sie es mit einem männlichen Finanzprofi zu tun haben, der ungefähr gleich alt ist. Ältere Kunden schließen öfter Verträge ab als jüngere. Je länger ein Beratungsgespräch dauert, desto niedriger ist die Abschlussquote. Andere Studien zeigen, dass es umso seltener zu einem Vertragsabschluss kommt, je höher die Finanzbildung von Kunden ist. » Die Ähnlichkeit zwischen Kunde und Berater spielt für die Abschluss- quote eine riesen- große Rolle. « Andreas Walter, Universität Gießen FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH VERTRIEB & PRAXIS Andreas Walter | Universität Gießen 220 fondsprofessionell.at 3/2024
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