FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023
wenn auch Preisdisziplin für uns oberstes Gebot bleibt, so schauen wir heute sehr viel stärker nach rechts und links, ummög- lichst keine Value-Chance zu verpassen, die sich auf unterschiedliche Art ergeben kann. Heuser: Was meinen Sie genau mit unter- schiedlichen Arten von Value? Moeschter: Nach dem traditionellen Ver- ständnis ist die Vergangenheit oft ein Weg- weiser für die Zukunft, was im Übrigen auch heute nach wie vor gilt. Aber schon Sir John Templeton, der Gründervater un- seres Unternehmens, wusste, dass man als Fondsmanager exibel und aufgeschlossen bleiben muss, was die Investmentart be- tri t, weil es nicht die eine Art von Invest- ment gibt, die immer die beste ist. Glow: Welche Arten von Value unterschei- den Sie denn? Moeschter: Ein Unternehmen kann zum Beispiel ein fehlbewertetes Wachstum auf- weisen, weil vom Markt verkannt wird, dass seine Zukunft besser verlaufen wird als seine Vergangenheit und die Gegenwart. Der tatsächliche Wert, sprich der Value, eines Unternehmens wie der indischen Reliance Industries wurde lange Zeit ver- kannt, als die Gesellschaft sich auf den Weg gemacht hat, vom Anbieter petrochemi- scher Produkte zu Indiens führendem Un- ternehmen in den Bereichen Telekommu- nikation, Einzelhandel und erneuerbare Energien zu werden. Ähnliches gilt auch für das Generieren eines starken Cash ows. Heuser: Wie meinen Sie das? Moeschter: Ein hoher Cash ow ermöglicht es einem Unternehmen eventuell gerade, weiter zu investieren und seine Markt- führerschaft zu behaupten. Deshalb macht ein hoher Cash ow eine Gesellschaft aber noch lange nicht quasi automatisch zu einemWachstumswert, den wir früher viel- leicht links liegen gelassen hätten. Und anhaltendes robustes Wachstum eines Unternehmens kann eventuell rechtferti- gen, dass wir es länger halten sollten, als wir das noch vor fünf Jahren in vielen Fäl- len getan haben. Glow: Muss man das als Orientierung des Templeton Growth stärker in Richtung von Wachstumswerten verstehen? Moeschter: Das ganz sicher nicht! Aber wir dürfen es vor lauter Konzentration auf den valueorientierten Ansatz nicht übertreiben, was unsere konservative Haltung angeht. Das hat zu oft dazu geführt, dass wir zwar Aktien gekauft haben, die o enkundig preiswert waren, die aber nicht den erho - ten Value geliefert haben. Wir haben uns auch früher schon nicht gescheut, zeitweise in Aktien wie Microsoft, Apple oder Google zu investieren, das stand für uns noch nie im Widerspruch zu unserem Ansatz. Und wir haben durchaus gutes Geld verdient,wenn wir nach einer Korrek- tur in solche Werte eingestiegen sind. Aber wir sind auch oft genug zu früh wieder ausgestiegen,weil wir befürchtet haben,wir könnten uns zu sehr in Richtung des Wachstumssegments entwickeln. Und wir waren dann nicht mehr dabei, wenn sol- che Aktien sich verdrei- oder vervierfacht haben. Das werden wir künftig besser machen. Glow: Darf man daraus schließen, dass Sie den Fonds inzwischen gut aufgestellt sehen für die vor uns liegende Zeit? Moeschter: Ich bin durchaus zuversichtlich, dass wir alle in meinem Team inzwischen verinnerlicht haben, dass wir zwar weiter- hin mit kritischem Blick, aber mit einer sehr viel realistischeren Haltung nach Aktien Ausschau halten müssen, die wirk- lichen Value bieten. Dass wir uns dabei aber nicht scheuen dürfen, die vermeint- liche Komfortzone von Branchen eines rein traditionellen Verständnisses von wert- orientiertem Investieren zu verlassen, in der wir uns zu lange versteckt haben. Da sehe ich uns auf einem guten Weg. » Wir haben uns auch früher schon nicht gescheut, in Aktien wie Microsoft, Apple oder Google zu investieren. « Peter Moeschter, Franklin Templeton MARKT & STRATEGIE Fondsmanager im Kreuzverhör | Peter Moeschter | Franklin Templeton 52 fondsprofessionell.at 4/2023 FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH KREUZ VERHÖR
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