FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023

Moeschter: Vor meiner Zeit hat es durchaus solche Phasen gegeben, in denen Investo- ren die Geduld mit uns verloren hatten. Sowohl Privatanleger haben zum Teil An- teile zurückgegeben, schmerzlicher noch war es, wenn institutionelle Investoren gleich mehrere hundert Millionen Euro aus dem Fonds abgezogen haben. Aus heu- tiger Sicht würde ich allerdings sagen, dass sie ihre Entscheidung zum Verkauf zu früh getro en haben. In einem für Aktieninves- toren enorm schwierigen Jahr 2022 haben zwar auch wir einen Wertrückgang um knapp acht Prozent hinnehmen müssen. Als ermutigend erachte ich dennoch, dass wir es gescha t haben, sowohl unsere Peer- group als auch den Vergleichsindex deut- lich zu übertre en. Und mit einem Plus von nach aktuellem Stand 8,6 Prozent im laufenden Jahr kann uns das mit etwas Fortune auch 2023 wieder gelingen. Glow: In vielen Jahren vor IhremAntritt war das aber genau umgekehrt. Daher werden Sie doch sicher verstehen, dass einige Anleger die Geduld verloren hatten. Moeschter: Durchaus, denn ohne Zweifel haben wir über viele Jahre hinweg nicht das geliefert, was Anleger zu Recht von uns erwarten. Daher kann ich die Enttäu- schung eines Privatanlegers verstehen, der den Fonds für seine private Zusatzrente be- spart hat. Ich kann auch die Entscheidung eines institutionellen Investors nachvollzie- hen, der ein Investment nicht mehr vor sei- nen Aufsichtsgremien rechtfertigen konnte. Wir haben sicher zu lange damit gewartet, aber gerade in den vergangenen fünf Jah- ren haben wir bedeutende Veränderungen imManagement des Fonds umgesetzt. Glow: Zum Beispiel? Moeschter: Im Grunde waren es keine dra- matischen Änderungen, wir sehen uns nach wie vor als ausgeprägter Value-Inves- tor mit Überzeugung. Aber wir haben zum Beispiel bewusst die Zahl der inves- tierten Unternehmen erheblich reduziert. Vor einigen Jahren noch war der Fonds über weite Strecken in rund 100 Aktien investiert. Rund 20 Prozent unserer Invest- ments waren in Finanzwerten wie Banken und Versicherungen angelegt. Entspre- chend hat sich nahezu ein Fünftel des Fonds in die gleiche Richtung bewegt. Um gut diversi ziert zu sein, braucht man aber nicht 20 verschiedene Banken oder Versi- cherer, dafür reichen je zwei oder drei gute Institute aus. Aber das ist nur ein Aspekt, der dafür steht, dass sich unser Verständnis von Value insgesamt geändert hat. Heuser: Was meinen Sie konkret? Moeschter: Dazu müssen wir etwas weiter zurückgehen. Als die Zinsen sich nach der Finanzkrise von 2008 sukzessive in Rich- tung null entwickelt haben, war das positiv für Wachstumswerte, für herkömmliche Value-Investments wurde es zunehmend zum Problem.Mit Chemiewerten, Grund- sto aktien, im Grunde dem gesamten Be- reich vermeintlich defensiver Investments, mit demman früher über einen Konjunk- turzyklus hinweg gutes Geld verdienen konnte, indem man früh genug ein-, aber eben auch genauso rechtzeitig wieder aus- gestiegen ist, tappte man in die Falle soge- nannter Value Traps. Wir besaßen zwar günstig bewertete Aktien, die nach dem Kurs-Buchwert-Verhältnis preiswert aussa- hen, aber das Wachstum blieb aus.Deshalb haben wir unseren Investmentansatz wei- terentwickelt zu etwas, was wir heute als „dynamisches Value Investing“beschreiben. Glow: Was sich wodurch auszeichnet? Moeschter: Der klassische Value-Ansatz beschränkt sich im Wesentlichen darauf, nach Unternehmen zu suchen, die relativ zu ihrer Historie oder den erwarteten Ge- winnen günstig bewertet sind. Der Schlüs- sel unseres dynamischen Value-Ansatzes hingegen liegt darin, mutiger in die Zu- kunft zu schauen, um herauszu nden, auf welchen Wegen sich der wahre Wert eines Unternehmens materialisieren kann. Und » Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass Anleger ihre Entschei- dung zum Verkauf zu früh getroffen haben. « Peter Moeschter, Franklin Templeton MARKT & STRATEGIE Fondsmanager im Kreuzverhör | Peter Moeschter | Franklin Templeton 50 fondsprofessionell.at 4/2023 FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH KREUZ VERHÖR

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