FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023

Obwohl es vergleichbare Zinsentwick- lungen in der Vergangenheit bereits gege- ben hat, liegt keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Umfang der Aufklä- rungsp ichten bei Empfehlung eines varia- bel verzinsten Kredits vor. Setzt man sich jedoch mit den gesetzlichen Rahmenbe- dingungen und mit den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH) in ver- gleichbaren Fällen – wie zum Beispiel zu den Fremdwährungskrediten und zu Anla- geprodukten – auseinander, ist es möglich, sich der Frage nach den Erfolgsaussichten anzunähern. Erfolgsaussichten? Abhängig davon, wann der Kreditver- tragsabschluss stattfand, waren unterschied- liche rechtliche Vorgaben einzuhalten. Bis zum Inkrafttreten des Verbraucherkredit- gesetzes (VKrG) am 11.6.2010 und des Hy- pothekar- und Immobilienkredit-Gesetzes (HIKrG) am 21.3.2016 galten die Grund- sätze des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz- buches (ABGB). Spätestens seit einer Ent- scheidung des OGH aus dem Jahr 2017 steht außerdem fest, dass die Wohlverhal- tensregeln des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG) auf die beschriebenen Sachverhalte nicht (auch nicht analog) anzuwenden sind. Aus den allgemeinen Grundsätzen lassen sich einige konkrete Anhaltspunkte zum Umfang der Aufklärungsp ichten ableiten. Tatsächlich hängt dieser von ver- schiedenen Umständen ab, wie insbeson- dere der Person des Kreditnehmers und dessen Vorerfahrungen. Hat der Kunde bereits davor Kreditverträge abgeschlossen oder ist er geschäftserfahren, so wird er in der Regel nicht über das Risiko eines variablen Zinssatzes aufzuklären sein. Im Abschluss eines variabel verzinsten Kredit- vertrags kann auch nicht ein außergewöhn- liches Rechtsgeschäft (wie etwa der Ab- schluss eines Zinsswaps) gesehen werden, das einen besonders hohen Aufklärungs- maßstab nach sich zieht. Die zur Beratung von Anlageprodukten vorliegende Recht- sprechung deutet weiters darauf hin, dass die erforderliche Aufklärung auch schrift- lich erbracht werden kann. Demnach wäre das Aushändigen eines schriftlichen Infor- mationsblatts, in dem die Risiken eines variabel verzinsten Kredits erklärt werden, ausreichend. Eine weitere relevante Ent- scheidung erging zur Aufhebung der Kurs- stütze des Euro-/Schweizer-Franken-Kurses im Jänner 2015 durch die Schweizer Natio- nalbank (SNB). Der OGH entschied zur Schadenersatzklage eines Kreditnehmers, dass die Änderung der Währungspolitik der SNB nicht vorhersehbar war und die Bank den Kunden nicht auf das Risiko des Wegfalls der Kursstütze hinweisen musste. Sofern also die deutlichen Zinsanhebun- gen nicht vorhersehbar waren – was vor allem vom Abschlusszeitpunkt abhängen wird und was in einem Verfahren wahr- scheinlich ein Sachverständiger zu beurtei- len hätte –, so wäre nach dieser Judikatur eine Aufklärung über dieses eingetretene Risiko generell nicht geschuldet gewesen. Aus einem weiteren Urteil des OGH, wonach eine Bank bei einem endfälligen Kredit nicht darüber aufklären musste, dass die Zinsen bis zum Laufzeitende vom vol- len Kapital berechnet werden, lässt sich der Schluss ziehen, dass eine Aufklärung über o enkundige Tatsachen nicht geschuldet ist. Umgelegt auf den konkreten Sachver- halt, würde dies bedeuten, dass Kreditneh- mer nicht über die Variabilität der Kredit- zinsen aufzuklären sind, zumal sich dies aus den Kreditkonditionen ergibt. Zusätzliche Pflichten Mit dem Inkrafttreten dieser beiden Gesetze kamen weitere P ichten für Kre- ditgeber beziehungsweise Kreditvermittler hinzu. Diese gelten allerdings nur im Anwendungsbereich dieser beiden Gesetze, und zwar bei Verbraucherkrediten und – im Fall des HIKrG – bei hypothekarisch besicherten Kreditverträgen beziehungswei- se solchen, die dem Erwerb einer Liegen- schaft dienen. Neu ist etwa die P icht, Kreditnehmern vor Vertragsabschluss ge- setzlich vorgegebene Informationen, unter anderem zu den Hauptmerkmalen der an- gebotenen Produkte, zu geben. Auch hier entscheiden die Umstände des Einzelfalls, wie weit diese Erklärungsp ichten reichen, wenngleich die in der Judikatur bislang entwickelten Grundsätze weiterhin gültig bleiben. Neu ist die mit den beiden Geset- zen eingeführte Bonitätsprüfungsp icht. Demnach ist vor Abschluss des Kreditver- trags die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen. Sofern der Kreditgeber zum Ergebnis kommt, dass der Kreditnehmer voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungsp ichten aus demKreditver- trag vollständig zu erfüllen, ist der Verbrau- cher zu warnen (VKrG) beziehungsweise der Abschluss des Kreditvertrags abzuleh- nen (HIKrG).Denkbare negative Szenarien wie etwa Zinssatzsteigerungen sind zu berücksichtigen, allerdings nur in einem bestimmten, vorhersehbaren Rahmen. Resümee Legt man diese herausgearbeiteten Rechtssätze und die gesetzlichen Vorgaben nun auf die bislang bekannten Vorwürfe der Verbrauchervertreter um, so ergibt dies kein eindeutiges Ergebnis. Wenngleich die hauptsächlich zu den Fremdwährungskre- diten ergangene Rechtsprechung überwie- gend für die Position der Kreditgeber und Kreditvermittler spricht, wird es auch von den Umständen des Einzelfalls abhängen (etwa von der Vorerfahrung des Kreditneh- mers, vom Inhalt der schriftlichen Unterla- gen, vom Zeitpunkt des Abschlusses etc.), ob im Einzelfall Schadenersatz geleistet werden muss. FP Der Autor: Christian Lenz ist Associated Partner bei BRANDL TALOS Rechtsanwälte und auf Prozessführung, Bank-, Versicherungs- und Wert- papieraufsichtsrecht sowie Immobilienrecht spezialisiert. fondsprofessionell.at 4/2023 253 FOTO: ©UWE STRASSER

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