FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023

Drohende Klagswelle Die aktuelle Zinsentwicklung ruft auch Verbraucherschutzverbände auf den Plan. Diese sehen Verfehlungen der Kreditinstitute bei der Vergabe von variabel verzinsten Krediten und drohen mit Klagen. A uch wenn die letzte Phase von hohen Kreditzinsen nicht lange zurückliegt – noch imOktober 2008 lag der 3-Monats- Euribor bei über fünf Prozent –, können sich jüngere Kreditnehmer häu g nur an die ab 2009 bestehende Niedrigzinsphase erinnern. Von März 2015 bis August 2022 kam es sogar zur ungewöhnlichen Situa- tion, dass der 3-Monats-Euribor unter die Null-Prozent-Schwelle el. Die Zeit des „billigen Geldes“ führte zu attraktiven Kre- ditangeboten. Viele Konsumenten, die sich möglicherweise sonst einen Kredit nicht leisten hätten können, waren so in der Lage, sich ihre Träume zu erfüllen. Spätes- tens seit Ende 2022 / Anfang 2023 ist es da- mit bis auf Weiteres vorbei. Die Lage hat sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch ver- ändert. Heute zittern viele Kreditnehmer den regelmäßigen Sitzungen der Europäi- schen Zentralbank (EZB) entgegen und verfolgen aufmerksam die Berichterstat- tung über allfällige weitere Zinserhöhun- gen. Von denen hat es zuletzt einige gege- ben. Mittlerweile steht der Leitzins der EZB bei 4,50 Prozent. Experten rechnen nicht mit einer baldigen Senkung, sondern eher mit weiteren Erhöhungen. Der Leit- zins der EZB hat unmittelbaren Ein uss auf den Euribor, der bei vielen variablen Zinsvereinbarungen zwischen Kreditinsti- tuten und Konsumenten als Referenzzins- satz vereinbart wurde. Kreditnehmern, die sich für einen Kredit mit variablen Zinsen entschieden haben, sind daher von jeder Erhöhung des Leitzinses betro en. Ihre Kredite werden teurer und in einigen Fällen nicht mehr leistbar. Mahnungen, Klagen der Banken bis zur Verwertung der Sicherheiten können die unangenehmen Folgen sein. Die erhobenen Vorwürfe Es war nur eine Frage der Zeit, bis Kon- sumentenschutzverbände, Anwälte und Prozesskosten nanzierer auf diese Situation aufmerksam werden. Zwischenzeitig n- den sich zahlreiche Angebote an die betrof- fenen Kreditnehmer, in denen Schadener- satzansprüche gegenüber Kreditvermittlern und Banken in Aussicht gestellt werden. Der Tenor dieser Angebote ist, dass die Kunden vor Vertragsabschluss deutlich auf die Risiken einer variablen Verzinsung und die Auswirkungen auf die monatliche Be- lastung anhand von Szenarienberechnun- gen hinzuweisen gewesen wären. Dabei wären die zukünftigen Entwicklungen zu berücksichtigen gewesen.Nach Ansicht der Verbrauchervertreter seien für die Banken und Vermittler die Zinserhöhungen erwart- bar gewesen. Ein weiterer Vorwurf bezieht sich darauf, dass bei Kreditvergabe die Bonität des Kreditnehmers oft nur unzurei- chend geprüft worden sei. Erste Muster- klagen sollen nach den Medienberichten bereits eingebracht worden sein. Ausge- hend von einer Untersuchung der Agenda Austria vom November 2022, wonach 46 Prozent der Bestandverträge variabel, 48 Prozent gemischt und sechs Prozent lang- fristig x verzinst sind, besteht ein großes Potenzial für solche Klagen. Diese könnten gegen den Kreditvermittler genauso gerich- tet werden wie gegen die nanzierende Bank, je nachdem wer von den beiden die Beratung zum Kreditvertrag durchgeführt hat. Verbraucherschutzverbände sehen Verfehlungen der Kreditinstitute bei der Vergabe von variabel verzinsten Krediten. Eine Klagswelle droht daher aktuell bei variabel verzinsten Krediten. STEUER & RECHT Finanzierung 252 fondsprofessionell.at 4/2023 FOTO: © THITIPHAT | STOCK.ADOBE.COM

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