FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023
sollen die Emittenten vor der Einführung eines Anlageprodukts für Privatkunden alle Kosten und Gebühren quanti zieren. Zu- dem sollen sie bewerten, ob diese unter Berücksichtigung der Merkmale, Ziele und Strategie des Wertpapiers sowie seiner Wert- entwicklung gerechtfertigt und verhältnis- mäßig sind. Die Details zu Kosten und Gebühren müssen die Anbieter der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA melden. Die Aufsicht soll aus den gemeldeten Daten dann sogenannte „Benchmarks für Finanzinstrumente“ ent- wickeln. Für die Anlageberatung möchte McGuinness anordnen, dass diese nur als im besten Interesse des Kunden erbracht gilt, wenn die kostene zientesten Finanz- instrumente empfohlen werden. Doch nur auf die Kosten schauen In der Branche kommt dieses Vorhaben nicht gut an.Die europäische Aufsicht wer- de dadurch zu einer Art „Produktpolizei“, moniert etwa Martin Klein, geschäftsfüh- render Vorstand des Vermittlerverbands Vo- tum. Auch Yon-Courtin spricht sich deut- lich gegen die geplante Kostenmesslatte aus. Beim „Best Interest“-Test sollten nicht allein niedrige Gebühren zählen, sondern auch die individuellen Kundenwünsche und -bedürfnisse, fordert sie. Ebenso solle die Qualität von Finanzprodukten eine Rolle spielen. Das Benchmark-Vorhaben der Kommission schränke die Produkt- vielfalt ein und verhindere Innovationen. Daher sei es ersatzlos zu streichen, verlangt die Berichterstatterin. In der Finanzbranche stoßen die Ände- rungsvorschläge von Yon-Courtin auf Gegenliebe. „Die Berichterstatterin teilt in ihrem Entwurf unsere Kritik in zentralen Punkten“, erklärt etwa Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fonds- verbands BVI. „Wir unterstützen ihre For- derung, dass die EU vor allem auf das par- tielle Provisionsverbot und das Benchmar- king verzichten und bei Eingri en in den Markt Zurückhaltung üben sollte“, sagt er. Viele der von McGuinness vorgeschlage- nen Maßnahmen seien nicht geeignet, die Ziele der Kommission zu erreichen. Sie wirkten teilweise sogar kontraproduktiv, weil sie Kleinanleger von den Kapitalmärk- ten fernhielten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP). Der Untersuchung zufolge verstoßen einige der Kommissionsvorschlä- ge sogar gegen ordnungspolitische Grund- sätze. „Positiv ist, dass die Kommission auf ein generelles Provisionsverbot verzichten will“, sagt CEP-Finanzexperte Philipp Eck- hardt, der die Studie verfasst hat. Aber auch partielle Verbote seien abzulehnen. „Sie verzerren den Wettbewerb um das beste Vertriebsmodell“, erklärt Eckhardt. Zudem fokussierten sie auf Tätigkeiten, bei denen die Risiken für das Entstehen von Interessenkon ikten vergleichsweise gering ausfallen. Nicht zuletzt bergen sie dem CEP-Experten zufolge die Gefahr, dass bestimmte Gruppen von Kleinanlegern auf den Erwerb von Anlageprodukten gänzlich verzichten. Unlogisch und einseitig „Auch viele weitere Maßnahmen sind aus ordnungspolitischer Sicht mehr als fragwürdig“, konstatiert Eckhardt.Nach sei- ner Überzeugung ist der vorgesehene ver- schärfte Best-Interest-Test unlogisch, bevor- mundend, zu kostenfokussiert, wettbe- werbsverzerrend und einseitig. Hart in die Kritik geht der Studienautor auch mit den geplanten Kosten-Benchmarks. Diese kä- men einer staatlichen Kostenkontrolle sehr nahe, ndet er. „Ein solcher Eingri in die freie Preisgestaltung einer Marktwirtschaft hat in der wettbewerbsintensiven Finanz- und Versicherungsbranche nichts zu su- chen“, sagt der Experte. Ob es dazu überhaupt kommen wird, steht derzeit allerdings in den Sternen. In einem nächsten Schritt muss der Wirt- schafts- und Währungsausschuss im EU- Parlament über den Vorschlag von Yon- Courtin abstimmen. Experten erwarten, dass es dazu frühestens Anfang nächsten Jahres kommen wird. Danach müssen sich die Kommission, das Parlament und die Ländervertreter auf ein endgültiges Regel- werk für die Kleinanlegerstrategie einigen. Damit ist fraglich, ob das Gesetzesprojekt noch vor den Europawahlen im Juni 2024 abgeschlossen werden kann. Sollte die Kleinanlegerstrategie tatsäch- lich noch vor den Wahlen in Kraft treten, müssen die EU-Mitgliedsstaaten die neuen Rechtsvorschriften innerhalb von zwölf Monaten umsetzen und weitere sechs Mo- nate später anwenden. „Ho entlich wird es in der zurzeit diskutierten Form nie dazu kommen“, sagt Eckhardt. Denn auch wenn EU-Finanzkommissarin McGuinness ein hehres Ziel verfolgt, ist der Weg, den sie eingeschlagen hat, für ihn der falsche. ANDREA MARTENS FP » Viele Maßnahmen sind aus ordnungspolitischer Sicht mehr als fragwürdig. « Philipp Eckhardt, Centrum für Europäische Politik (CEP) fondsprofessionell.at 4/2023 249 FOTO: © CENTRUM FÜR EUROPÄISCHE POLITIK (CEP)
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=