FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023
Widerworte aus Straßburg Der von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf für eine Kleinanlegerstrategie liegt dem Europäischen Parlament vor. Doch dort kommt er in großen Teilen überhaupt nicht gut an. M airead McGuinness verfolgt ein heh- res Ziel: Die EU-Finanzkommissarin möchte den Finanzvertrieb in der Euro- päischen Union verbraucherfreundlicher gestalten, um mehr Menschen für Invest- ments an den Kapitalmärkten zu begeis- tern. Der Weg dorthin führt für McGuin- ness eigentlich über ein vollständiges Ver- bot von Provisionen.Doch weil die Finanz- branche dagegen Sturm lief, verzichtet der Entwurf der Kommission für eine „Retail Investment Strategy“, die zu Deutsch als Kleinanlegerstrategie bezeichnet wird, auf ein generelles Provisionsverbot in der un- abhängigen Anlageberatung. In der Anlagevermittlung und für die reine Orderausführung jedoch hält die Kommissarin an einem kompletten Pro- visionsverbot fest.Und dies ist nicht die ein- zige scharfe Maßnahme, an der sich die Gemüter entzünden, seit McGuinness ihren Entwurf imMai präsentiert hat. Über die geplante Kleinanlegerstrategie ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Zuerst einmal muss der Vorschlag aus Brüssel mit dem Europäischen Parlament in Straßburg abgestimmt werden. Und dort hat sich bereits Kritik an den Plänen der Kommission geregt. Im EU-Parlament ist Stéphanie Yon-Courtin von der liberal- demokratischen Fraktion „Renew Europe“ als Berichterstatterin mit dem Thema betraut. Anfang Oktober hat sie den Ent- wurf eines Gegenvorschlags vorgelegt. In erster Linie stößt sich Yon-Courtin am teilweisen Provisionsverbot. Dies sei nicht geeignet, Interessenkon ikte zu beheben. Statt Zuwendungen im beratungsfreien Geschäft zu untersagen, sollten die beste- henden Regelungen verbessert werden, etwa durch die Einführung noch strenge- rer Transparenzvorschriften, schlägt sie vor. Über die Pläne der Kommission zeigt sich die Parlamentsberichterstatterin auch aus einem anderen Grund besorgt. Diese seien dazu angetan, einem künftigen vollständi- gen Provisionsverbot den Weg zu ebnen, stellt Yon-Courtin fest. Check nach drei Jahren Ausschließen lässt sich das nicht. Immer- hin hat McGuinness bereits klargemacht, dass die Rechtsvorschriften drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten überprüft werden sol- len. Yon-Courtin macht sich hingegen dafür stark, die neuen Vorgaben über einen Zeitraum von fünf Jahren genau zu beob- achten. Erst dann solle über mögliche wei- tere Einschränkungen entschieden werden – und zwar unvoreingenommen. Die vor- gesehene Überprüfung des teilweisen Pro- visionsverbots dürfe keineswegs automa- tisch dazu genutzt werden, zu einem späte- ren Zeitpunkt doch noch ein komplettes Verbot einzuführen. Auch einen anderen Plan der EU-Kom- mission lehnt Yon-Courtin ab. Dieser sieht vor, die Product Governance um einen „Preisbildungsprozess“ zu ergänzen. Dabei Gebäude des Europäischen Parla- ments in Straßburg: Dort hatte die zuständige Berichterstatterin Stéphanie Yon-Courtin den Entwurf für die geplante Retail Investment Strategy zu beurteilen. Sie übt harte Kritik. Über die Pläne der EU für den Fondsvertrieb infor- miert die Brandl & Talos Rechtsanwälte in einem Vortrag auf dem FONDS professionell KONGRESS Anfag März 2024 in Wien. ANMELDUNG: fondsprofessionell.at WIEN, 6. UND 7. MÄRZ 2024 STEUER & RECHT Kleinanlegerstrategie 248 fondsprofessionell.at 4/2023 FOTO: © PWMOTION | STOCK.ADOBE.COM
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