FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023
Seine Einschätzung wird durch eine Stu- die untermauert: Im Oktober zeigte eine Auswertung des deutschen Fondsvermitt- lers Envestor, dass günstigere Produkte eine deutlich höhere „Lebensdauer“ haben, während teurere öfter verschmolzen oder aufgelöst werden. Und ohne Vertriebspro- vision übertre en aktiv gemanagte Fonds eher die Performance von ETFs (die Redak- tion berichtete online). Biesenbach Trotz der Verschlossenheit der Branche scheint absehbar, dass in Österreich künftig mehr provisionsfreie Depotmodelle auf den Markt kommen. Maximilian Biesen- bach, Partner der Unternehmensberatung Simon-Kucher, hat international Banken bei der Umstellung begleitet und ist auch in Österreich tätig. „Da wird hinter den Kulissen viel Denksport betrieben. Teilwei- se wurde bereits die Entscheidung getrof- fen, auf ein provisionsfreies Modell umzu- schwenken, und die Frage ist nur noch, wann . Man muss in diesem Umfeld einen Plan B haben. Alles andere wäre fahrlässig“, so der Bankenexperte. Denn europaweit missfallen immer mehr Regulatoren die intransparenten Bestandsprovisionen, von denen die Institute extrem abhängig sind: Bei den heimischen Retailbanken stammen laut Biesenbach zwischen 30 und 50 Pro- zent der Erträge imWertpapiergeschäft aus Rückvergütungen von Fondsgesellschaften. Hätte ein Vorstand da keine Alternative in der Lade, wäre das ein „grobes Versäumnis“, so Biesenbach. Besonders angesichts des im Mai von der EU-Kommission verö entlich- ten Vorschlags zur Retail Investment Stra- tegy (RIS): Das Papier verbietet im Execu- tion-only- und im beratungsfreien Geschäft Bestandsprovisionen. Somit drängt das Thema vor allem bei jenen Banken, die einen hohen Anteil an Selbstentscheidern haben. Gerade in Ballungszentren werden auf klassischen Wertpapierdepots oft 70 Prozent des Transaktionsvolumen bera- tungsfrei abgewickelt, so Biesenbach: „Wenn zwischen 30 und 50 Prozent der Wertpapiererträge aus Rückvergütungen stammen und 70 Prozent des Transaktions- volumens beratungsfrei sind, würden sol- chen Banken auf einen Schlag zwischen 21 und 35 Prozent der Erträge entfallen.“ Die Banken stemmen sich heftig gegen den Provisionsbann der EU. Ihr Mantra: Kunden wollen nicht für Beratung zahlen; man könne dann nur noch die nanzstar- ke Klientel betreuen; es komme zu einer Unterversorgung weniger reicher Konsu- menten. Biesenbach widerspricht aus seiner Erfahrung. „Dass das Provisionsverbot automatisch zu einer Nichtberatung klei- nerer Anleger führt, ist ein Mythos der Lobbyisten“, sagt er. Insbesondere in der Schweiz und in Liechtenstein hätten Ban- ken, noch bevor der Regulator das Verbot aussprach, selbst proaktiv auf ein retrozes- sionsfreies Modell gewechselt. Dabei konn- te man beobachten, dass jene Häuser, die laufende Beratungsgebühren einführten, ihre Margen stabil hielten. „Wenn man es wie in Großbritannien macht und 150 Pfund für die Beratungsstunde verrechnet, dann kommt natürlich kein Kleinanleger. Werden die Kosten aber anteilig als Pro- zentsatz an den Assets under Management berechnet, dann funktioniert das“, so Biesenbach und ergänzt: „War der Kunde vorher in der Lage, die Gebühr zu zahlen, dann wird er es auch nachher sein.“ Juristische Auseinandersetzung Liechtenstein und die Schweiz können als Warnung dienen: Hier wurden die Fondsrück üsse im wahrsten Sinne zum Bumerang für die Banken. Nach höchstge- richtlichen Anti-Kickback-Entscheidungen mussten die Banken teils hohe Summen zurückzahlen. In Liechtenstein etwa konn- ten (bis zu einer Gesetzesänderung dieses Jahr) Bestandsprovisionen auf 30 Jahre zurückgefordert werden. In Österreich läuft ebenfalls gerade eine Sammelaktion des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Bis 2007 hätten Banken die Bestandsprovi- sionen nicht o engelegt und bis 2018 auch nicht ausreichend, sagte VKI-Expertin Ulri- ke Wolf. Sie versucht momentan, sich mit Erste Group und Bank Austria außerge- richtlich über die Rückzahlung von Be- standsprovisionen zu einigen. Konsumen- ten können sich noch beteiligen. Dass trotz der ständig über dem Markt schwebenden Transparenzdiskussion bisher so wenige Häuser nachziehen, sei überra- schend, gesteht RLB-NÖ-Wien-Manager Plank. Er höre aber, dass viele an Konzep- ten arbeiten. Sein Salzburger Kollege Gracher zeigt sich ähnlich erstaunt: Es ma- che beim Kunden keinen guten Eindruck, wenn man erst auf regulatorischen Druck hin bei den Kosten tätig wird. „Für uns als genossenschaftliche Regionalbank ist die Kundenbeziehung das Wichtigste. Wir haben Interesse, langfristige Geschäftsbe- ziehungen zu haben“, so Gracher. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Da wird hinter den Kulissen viel Denksport betrieben. Teilweise wurde bereits die Ent- scheidung getroffen. « Maximilian Biesenbach, Strategieberatung Simon-Kucher BANK & FONDS Bank ohne Provision 246 fondsprofessionell.at 4/2023 FOTO: © STRATEGIEBERATUNG SIMON-KUCHER
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