FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023
samte Wertschöpfungskette. Wir stehen außerdem noch am Anfang des technolo- gischen Wandels: Neue Technologien, künstliche Intelligenz und Daten werden die Wirtschaft revolutionieren, und die Firmen haben enormes Potenzial. Abseits der Tech-Aktien sind viele der zyklischen US-Werte sogar wirklich günstig. Sie haben den Rückzug der Notenbanken erwähnt.Was bedeutet das für die Märkte? Mit Nullzinsen und den Kaufprogrammen unterstützten die Zentralbanken alle Anla- gen unabhängig von deren Wert und Qua- lität. Die Zinserhöhungen hatten bereits weitreichende Folgen. Nun bauen die No- tenbanken nach und nach ihre Anleihen- portfolios ab, die Investoren treten an ihre Stelle. Die möchten aber Gewinne erzielen und sind deshalb viel selektiver. Die Folge wird eine stärkere Differenzierung sein. Während die vergangenen Jahre gut für passive Anlagen waren, spricht das neue Umfeld stärker für aktives Management. Aktien sind schon gut gelaufen dieses Jahr. Ist damit das Potenzial begrenzt? Stimmt, wir haben unseren langfristigen Vorhersagen für Aktien daher etwas redu- ziert: für US-Standardwerte etwa von 5,8 auf 5,3 Prozent und für die großen euro- päischen Titel von 7,7 auf 7,3 Prozent über die kommenden zehn bis 15 Jahre. Trotz- dem haben wir unsere Renditeerwartung für gemischte Portfolios mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen von 5,1 auf 5,3 Prozent erhöht. So attraktive Ein- stiegsbedingungen gab es seit zehn Jahren nicht mehr. Der wichtigste Grund liegt in den deutlich verbesserten Renditeaussich- ten für Anleihen. Halten Sie langlaufende Anleihen für attraktiv? Wir be nden uns am oder nahe dem Zinsgipfel.Heute bekommen Sie etwa drei Prozent mit Bundesanleihen und gut vier Prozent mit Unternehmensanleihen – das sind attraktive Renditen. Sicher: Einige der schwächsten Schuldner könnten unter Stress kommen, da sollte man vorsichtig sein. Sichere Anleihen dürften aber auch nach Abzug der In ation positive Ren- diten erzielen. Solche Titel bleiben außer- dem eine wichtige Absicherung im Ge- samtportfolio. BeimAktieneinbruch im vergangenen Jahr haben sie aber nicht geschützt. Ganz im Gegenteil. 2022 war ein in ationärer Schock. Die meisten Marktschocks sind aber disin atio- när, Wachstum und In ation gehen zu- rück. In solchen Situationen haben sichere Anleihen in der Vergangenheit kurzfristig oft Erträge im zweistelligen Bereich gene- riert. Eine Ausnahme war Covid, da waren die Ausgangsrenditen in Europa bereits zu niedrig. Aber auf dem jetzigen Rendite- niveau schützen Anleihen vor disin atio- nären Schocks und sichern ein Portfolio bei Aktienverlusten effektiv ab. Genügt ein klassisches Mischkonzept noch für die künftigen Herausforderungen? Ein vernünftiges Portfolio baut weiter auf Anleihen und Aktien auf, wobei Anleihen auch aus Ertragssicht wieder eine wichti- gere Rolle spielen. Anleger sollten aber auch die immer besser erschlossenen alter- nativen Anlageklassen wie Immobilien, Infrastruktur oder Direct Lending beach- ten. Hier haben die Preise teils deutlich korrigiert, und viele dieser Anlagen spielen einen wichtigen Part in der Transformation der Wirtschaft. Vielen Dank für das Gespräch. JOCHEN HÄGELE FP » Europäische Aktien sind sehr günstig. « John Bilton, J.P. Morgan AM KURZ-VITA: John Bilton John Bilton arbeitet seit fast drei Jahrzehnten in der Finanz- branche. Bevor er 2014 zu J.P. Morgan Asset Management nach London kam, war er für Accenture, Barclays Capital und die Bank of America Merrill Lynch tätig. FOTO: © J.P. MORGAN ASSET MANAGEMENT MARKT & STRATEGIE John Bilton | J.P. Morgan Asset Management 114 fondsprofessionell.at 4/2023
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