FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2023

in den USA investieren. Der Konzern nanziert seine Milliardeninvestitionen in deutsche Glasfaserkabel und das 5G-Han- dynetz vor allem aus dem starken T-Mo- bile-US-Geschäft in den Vereinigten Staa- ten.Zahlreiche Firmen erzielen einen Groß- teil ihrer Gewinne gar nicht in Deutsch- land, sondern auf den Weltmärkten. Konjunktur- und Strukturprobleme sind eng ver ochten. Der Corona-Pandemie folgten mit Ukrainekrieg, Ener- giepreis-, In ations- und Zins- anstieg gleich mehrere Schocks. Dazu kommen die schleppen- de Weltkonjunktur und zuneh- mende Handelseinschränkun- gen. „Das lange erfolgreiche Geschäftsmodell der deutschen Volkswirtschaft wird nun zur Schwäche: die hohe Abhängig- keit vom Außenhandel“, warnt Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel. Die hohen Energiekosten verteuern die deutschen Waren, und der Übergang zu erneuer- baren Energien bedeutet eine immense Zusatzbelastung. Vie- le Industriechefs, die sonst gern von „Dis- ruption“ reden, sehen sich nun selbst im Zentrum eines existenziellen Umbruchs. Monatelang debattierte die Ampelkoalition über Industriestrompreis und -steuer. „Die Regierung muss dringend Rahmenbedin- gungen scha en, die Sicherheit und Kal- kulierbarkeit gewährleisten, sonst werden Unternehmen zunehmend mit den Füßen abstimmen“, sagt Lupus-Alpha-Portfolio- manager Björn Glück. Er warnt zudem: „Insbesondere bei den Patentanmeldungen für digitale Schlüsseltechnologien kommt zu wenig aus Deutschland im Vergleich zu China, Japan und den USA.“ Mit aktiver Industriepolitik versucht die Regierung umzusteuern, wie die mit fast zehn Milliarden Euro bezuschussten Ansiedlungen der Chipbauer Intel und TSMC zeigen. Das Wachstumschancen- gesetz, das Kernstück des Zehn-Punkte-Pro- gramms der Ampelkoalition, umfasst sie- ben Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die USA ziehen mit dem 700-Milliarden-Dol- lar schweren In ation Reduction Act zahl- reiche Auslandsinvestitionen an, wenn auch um den Preis einer explodierenden Staatsverschuldung. Zwar spricht ING- Chefvolkswirt Carsten Brzeski daher für Deutschland von „homöopathischen Do- sen“, doch die neue staatliche Aktivität wird von vielen be- grüßt (siehe auch das Interview mit John Bilton von J.P. Mor- gan AM auf Seite 112). Auch der alterungsbedingte Arbeitskräfterückgang bremst das Wachstum. Die Wachs- tumsrate des Produktionspo- tenzials dürfte laut Ifo-Institut bis 2030 spürbar auf nur noch 0,5 Prozent sinken. Bei der Zu- wanderungspolitik schwächelt Deutschland ebenfalls: „Die Politik hat es bis heute nicht gescha t, eine quali zierte Zu- wanderung zu organisieren und ausländischen Fachkräften Björn Glück, Lupus Alpha: „Wir erwirtschaften immer noch ein hohes BIP pro Kopf, aber davon kommt sehr wenig bei den Bürgern an.“ Christoph Gebert, Ehrke & Lübberstedt: „Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der Nebenwerte liegen weit unter den langjährigen Durchschnittswerten.“ Kranker Mann hinkt hinterher Wirtschaftswachstum in % Den Corona-Schock konnte Deutschland recht gut abfangen. Seither lahmt die Wirtschaft aber. *Prognose |Quelle: IWF,Oktober2023 -4 % -3 % -2 % -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % 6 % 7 % 2024* 2023* 2022 2021 2020 2019 2018 Welt Deutschland G7-Durchschnitt 1,0 % 1,1 % -3,8 % 3,2 % 1,8 % -0,5 % 0,9 % » Der deutsche Kapitalmarkt wurde zunehmend von den USA abgehängt. « Olgerd Eichler, Mainfirst fondsprofessionell.at 4/2023 107 FOTO: © MARKUS BECKER | LUPUS ALPHA, KARL-JENS HANNEWALD | EHRKE & LÜBBERSTEDT

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