FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2023

sprung verschaffen können, der ihnen eine Outperformance ermöglicht. „Denn we- sentliche Informationen, die durch laufen- de KI-Prozesse gewonnen werden, sind höchstwahrscheinlich nur eine Teilmenge der umfangreichen Informationen, die der Gesamtmarkt kennt und die sich in den Marktpreisen tatsächlich widerspiegeln“, argumentiert er. Besonders skeptisch ist Crill,wenn es um Kursprognosen geht. „Die Fähigkeit der KI, Dinge vorherzusagen, ist immer dann gut, wenn es um die Bewertung von Mustern geht, die relativ stabil sind“, sagt er. Als Bei- spiel nennt er Navigationsprogramme für das autonome Fahren, die wissen, dass sie bei einem Stoppschild bremsen müssen. „So ist es am Kapitalmarkt aber nicht“, erklärt der Anlagestratege. „Hier haben wir es mit einem komplexen System zu tun, das sich dynamisch entwickelt und laufend verändert. Das ständige Auftauchen neuer Informationen, die für die Marktpreise von Bedeutung sind, steht imGegensatz zu sta- tischen Mustern, die die Vorhersagbarkeit fördern.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass die KI solche Veränderungen gut vorhersagen könne, sei deshalb weitaus geringer. Richtig eingesetzt könne eine KI eine Firma fraglos effizienter und damit erfolg- reicher machen, meint Crill. „Letztlich ist es wie beim Schach, wo die besten Spieler mit der Zeit erkannt haben, dass Schach- computer eine leistungsstarke Ergänzung für ihre Strategie und zur Mustererken- nung sind“, sagt Crill. „In ähnlicher Weise sollten auch Investmentmanager die KI nutzen, nicht aber um zu versuchen, Ak- tienkurse vorherzusagen.“ Intuition gefragt Für Fondsmanager beruhigend dürfte sein, dass weder das Tungsten-Duo Günther und Hess noch First-Private-Partner Wenz sowie die Acatis-Manager Endler und End- ress fürchten, ihre Stelle eines Tages an eine künstliche Intelligenz zu verlieren. Sie alle betonen, dass eine KI ohne solide Datenba- sis aufgeschmissen ist. Für die Frage, ob ein Fonds bei einem Börsengang investieren solle oder nicht, brauche es beispielsweise noch einen Menschen,meint Endler: „Nur er kann die Intuition und Erfahrung mit- bringen, um den potenziellen Geschäfts- erfolg eines jungen Unternehmens abschät- zen zu können.“ Der Acatis-KI werde es wahrscheinlich auch nie gelingen, den ab- soluten Top-Performer zu finden, der alle anderen Titel hinter sich lasse. „Ein guter Fondsmanager muss sich daher keine Sorgen um seinen Job machen“, ist Endler überzeugt. Und ein mittelmäßiger? „Der vielleicht schon.“ BERND MIKOSCH FP » Unsere Modelle werten täglich eine siebenstellige Zahl von Preisdaten aus. « Michael Günther, Tungsten Trycon Asset Manager entdecken die KI Fondsanbieter wie Abrdn, PGIM und Schroders lassen ihre Mitarbeiter mit eigenen Versionen von ChatGPT expe- rimentieren, um herauszufinden, wie sich die neue Technologie in ihrem Unternehmen sinnvoll anwenden ließe. Bei Union Investment und J.P. Morgan Asset Ma- nagement hilft eine KI bereits dabei, lästige Rou- tinearbeiten oder Vorrecherchen zu übernehmen. Union Investment: Der Fondsanbieter der Genossenschaftsbanken nutzt eine KI für die Kursvalidierung. Die Abteilung Datenmanagement überprüft täglich die Kurse von rund 50.000 Assets in 2.500 Portfolios. Rund vier Prozent der Werte müssen händisch überprüft werden, etwa wenn zwei Datenan- bieter für den gleichen Titel unter- schiedliche Kurse angeben oder frag- lich ist, ob das Datum stimmt. Die vor 20 Jahren gegründete Abteilung beschäftigt mittlerweile zehn Mitarbeiter, um die Qualität der Kursvalidierung zu sichern. Bei ein- fachen Routinefällen werden sie nun von einer KI unterstützt. Sie unterbreitet einen Vorschlag, den die Mitarbeiter dann freigeben oder korrigieren. Bei komplexenWertpapieren oder in neuen Fällen, für die es keine Datenbankhistorie über vergan- gene Entscheidungen gibt, ist nach wie vor die menschliche Erfahrung gefragt. J.P. Morgan Asset Management: Der US- Fondsanbieter nutzt für seinen Themen-ETFs eine hauseigene KI namens „Themebot“, die mehr als 13.000 Unternehmen weltweit in kürzester Zeit danach analysiert, ob ihre Aktien zu bestimmten Investmentthemen passen könnten, und zwar sowohl nach der Relevanz der Veröffentlichungen als auch mit Blick auf den Umsatz. „Sobald eine Aktie von Themebot identifiziert wurde, führen unsere Analysten Fundamentalanalysen und Managementgespräche durch, um sich ein um- fassenderes Bild zu verschaffen, und investieren nur in unsere überzeugendsten Anlageideen“, erläutert J.P. Morgan Asset Management die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Interview mit Tungsten: QR-Code scannen oder fponline.at/KI323 eingeben. MARKT & STRATEGIE Künstliche Intelligenz 84 fondsprofessionell.at 3/2023 FOTO: © TUNGSETN TRYCON

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