FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2023

und die aufgrund ihrer Art nicht geeignet sind, die Erfüllung der soeben ausgeführ- ten Pflichten zu gefährden. Völlig vom Tisch ist das ursprünglich geplante totale Provisionsverbot damit aber nicht: Die EU-Kommission behält sich vor, dieses nach einer dreijährigen Beobachtungs- phase doch noch einzuführen, sollte sich zeigen, dass sich die neuen Regeln für den Anlegerschutz als unzureichend erweisen oder dass diese am Markt nur unzurei- chend umgesetzt werden. Professionelle Anleger Das Gesetzespaket sieht allerdings auch Erleichterungen vor: Schon bisher unter- scheidet das WAG zwischen professionellen Kunden und Privatkunden und sieht dabei einen abgestuften Beratungsumfang vor – professionelle Kunden sind nicht so aus- führlich zu beraten wie Privatkunden. Um als professioneller Kunde eingestuft zu wer- den, müssen allerdings bestimmte Voraus- setzungen erfüllt werden, die in der Praxis als zu herausfordernd angesehen wurden. Hier setzt der Gesetzgeber durch Senken gewisser Schwellen an. Zukünftig soll sich ein Privatkunde be- reits ab einem Finanzinstruments-Portfolio inklusive Bankguthaben von mehr als 250.000 Euro als professioneller Kunde ein- stufen können lassen (statt bisher ab mehr als 500.000 Euro), vorausgesetzt, die wei- teren Kriterien werden erfüllt. Zudemwur- de als Alternative ein viertes Kriterium in Bezug auf die einschlägige Bildung des Anlegers aufgenommen, das die bisher not- wendige mindestens einjährige berufliche Erfahrung im Finanzsektor ersetzen kann. Mit den Änderungen wird auch die Mög- lichkeit geschaffen, dass juristische Perso- nen auf Antrag als professionelle Kunden eingestuft werden können, wenn sie von folgenden Kennzahlen zumindest zwei erfüllen: Bilanzsumme zehn Millionen Euro (bisher 20 Millionen Euro); Netto- umsatz 20 Millionen (bisher 40 Millionen Euro); Eigenmittel eine Million Euro (bis- her zwei Millionen Euro). Damit soll das Beraten über riskantere Produkte (etwa AIF) erleichtert werden. Basisinformationsblatt Die EU-Kommission plant weiters, das KID anzupassen. Dadurch soll den wan- delnden Bedürfnissen der Anleger, der Nutzung auf digitalem Weg sowie der Rechtsklarheit Rechnung getragen werden. Vorgesehen ist: a) die Einführung eines zusammenfas- senden Dashboards zu Beginn des KID, um die wichtigsten Informationen zu Kosten und Risiken von Anlageprodukten amAnfang des Dokuments gut sichtbar zu machen b) mehr Flexibilität bei der Anzeige von Informationen aus den PRIIP-Schlüssel- informationsdokumenten in digitaler und benutzerfreundlicher Form, insbesondere durch die Möglichkeit, die Überschriften verschiedener Abschnitte des Schlüsselin- formationsdokuments gezielt anzuklicken und nur den Text der gewünschten Ab- schnitte zu erweitern.Die RIS legt auch die Bedingungen für weitere interaktive Funk- tionen fest. c) Dem Zeitgeist entsprechend wird ein neuer Abschnitt über Nachhaltigkeit im KID Einzug halten, um Informationen über ESG-Merkmale von Anlagepro- dukten für Kleinanleger sichtbarer, ver- gleichbarer und verständlicher zu machen. Dieser Abschnitt wird auf den bestehenden Angaben nach der Taxonomie-Verordnung aufbauen, neue Berichtspflichten sollen damit nicht entstehen. Weiterbildungsverpflichtung Bei den Weiterbildungspflichten plant der Gesetzgeber ebenfalls Verschärfungen – nicht nur soll Nachhaltigkeit bei diesen verpflichtend Einzug halten, auch die Qualität der Fortbildung soll erhöht wer- den. Das möchte der Gesetzgeber dadurch erreichen, dass der Ausbildungsplan ange- passt wird – künftig müssen Anlageberater zusätzlich ein Verständnis des Begriffs nachhaltiger Investitionen besitzen ein- schließlich des Berücksichtigens und Ein- beziehens von Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungs- prozess. Die in den Aus- und Weiterbil- dungsmaßnahmen erlangten Kenntnisse sollen weiters in Zukunft durch eine Be- scheinigung nachgewiesen werden. Unan- getastet soll allerdings der zeitliche Umfang bleiben: Statt der zwischenzeitlich geplan- ten 35 Stunden bleibt es bei den bestehen- den Vorgaben von mindestens 15 Aus- und Weiterbildungsstunden pro Jahr. Fazit Letztlich bringt die EU-Kleinanleger- strategie keine Revolution, sondern ist eine Weiterentwicklung bestehender Regeln. Das Paket bedarf noch einer Verabschie- dung durch das EU-Parlament sowie den Rat der EU.Mit einem Inkrafttreten ist da- her frühestens in zwei Jahren zu rechnen. Vor diesemHintergrund sollten Anlagebe- rater die bis dahin verbleibende Zeit nut- zen, um zu prüfen, ob und inwiefern ihre Vertriebsmodelle zwischen Provisions- verbot und strengem Zuwendungsregime weiterhin zulässig und wirtschaftlich blei- ben oder ob Anpassungen geboten sind. Die Autoren: Dr. Raphael Toman LL.M. (NYU) ist assoziierter Partner, Clemens Wukowitz Rechtsanwaltsanwärter in der auf Finanzmarktrecht spezialisierten Kanzlei BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH. FP Dr. Raphael Toman, BRANDL TALOS Rechtsanwälte Clemens Wukowitz, BRANDL TALOS Rechtsanwälte fondsprofessionell.at 3/2023 269 FOTO: © BRANDL TALOS, UWE STRASSER

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