FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023
gewöhnlich mit einer Verzögerung von gut 18 Monaten. Die Teuerungsrate, mit der wir heute ringen, entspringt also demZins- niveau von vor einem bis anderthalb Jah- ren. Ich bin überzeugt, dass Geldpolitik grundsätzlich funktioniert. Neigen sich die Zeiten der aggressiven Zinserhöhungen baldwieder demEnde zu? Natürlich kann niemand mit Gewissheit vorhersagen, wie sich die Teuerung künftig entwickeln wird. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine Normalisierung erleben werden – sowohl bei der In ation als auch bei der wirtschaftlichen Entwick- lung sowie den Anleihenrenditen. Die Zentralbanken machen alles richtig? Die Notenbanken stellten sich in den ver- gangenen Jahren hin und sagten, dass sie keine In ation erzeugen können. Doch wie erzeugt man In ation? Indem man unglaublich viel Geld druckt. Wenn man das Angebot eines Gutes hochfährt, fällt der Preis. Sinkt das Angebot, steigt er. Das ist ein ganz simpler ökonomischer Zusam- menhang. Die Zentralbanken rund um den Globus vermochten jedoch keinen Zusammenhang zwischen Geldmenge und In ation zu erkennen – ein Fehl- schluss, wie sich nun zeigt. Diesem saßen auch viele Investoren auf. War die ultralaxe Geldpolitik ein Fehler? Es war ein Experiment, das ganze Geld zu drucken.Nun wird es ein Experiment sein, das ganze Geld wieder auszulöschen. Ange- sichts der Umstände im Zuge der Finanz- und Eurokrise war es wohl die richtige Ent- scheidung, Geld zu drucken. Der hohe Geldumlauf zog jedoch die Effekte nach sich, mit denen wir nun ringen. Ich hoffe, dass wir zu einer stabileren Wirtschafts- und Geldpolitik zurückkehren werden. Welche Folgen können sich noch ergeben, wenn das viele Geld wieder aus dem Finanzsystem abfließt? Im Zuge dessen strömt das Geld in die solideren Ecken der Finanzmärkte. In der Folge kann es in den schwächeren Berei- chen zu Spannungen kommen – wie wir schon gesehen haben. Die Zentralbanken werden gegensteuern und Mittel an kriti- schen Stellen bereitstellen, wie sie es ja auch schon getan haben. Das alles ist ein Experiment, niemand hat Erfahrung damit, so viel Geld aus dem System abzuleiten. Den Notenbanken bleibt nur ein „Lear- ning by doing“-Ansatz. Ebenso lernen die Investoren, damit umzugehen. Das klingt nicht gerade vertrauener- weckend. Ich bin durchaus zuversichtlich. Zentral- banken wollen ein stabiles Finanzsystem und zugleich die In ation einhegen. Das wird ihnen auch gelingen. Sie gehen koor- dinierter vor als in der Vergangenheit. Zudem ist die EZB erwachsener geworden, sie hat mehr Erfahrung gesammelt. Auch die Zusammenarbeit in Wirtschaftsfragen in Europa hat sich weiterentwickelt. Schlussendlich ist der Bankensektor viel stabiler und strikter reguliert als vor der Finanzkrise 2008 und 2009. Die Exzesse, die es gab, sind aus dem System gewichen. Die Probleme erscheinen mir lösbar. » Es war ein Experiment, das ganze Geld zu drucken. Nun wird es ein Experiment sein, das ganze Geld wieder auszulöschen. « Richard Woolnough, M&G FOTO: © NIKOLA NEVEN HAUBNER fondsprofessionell.at 2/2023 91
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