FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023

W ir be nden uns wieder einmal in einer Marktphase, in der es schwieriger wird, Anleger zum Durchhalten zu motivieren. Egal wie ausführlich man jemandem erklärt, dass Kursschwankungen unvermeidbar sind, wenn die Kurstafeln rot leuchten, steigt ein Teil der Kundschaft aus. Wie jüngste Zahlen von Moun- tain-View zeigen, wurden zuletzt sogar vermö- gensverwaltende Produkte tendenziell abgesto- ßen. Es ist vermutlich ein Vertrauensverlust in Politik und Wirtschaft, der solche Angstverkäufe auslöst, und das ist auch verständlich. Die Rah- mensituation, bestehend aus einer drohenden Rezession in Kom- bination mit hoher Geldentwertung, geopolitischen Spannungen, die eine Deglobalisierung bewirken könnten, und einer Energiepo- litik, die manche Beobachter eine Deindustrialisierung befürchten lässt, spricht nicht für Aktienkäufe. Und wenn dann so wie derzeit wieder etwas höhere Renditen mit Fixzinsanlagen verdient werden können, schichtet man um. Das ist schade, weil man sich damit um die langfristig möglichen Erträge bringt, die man erzielen könnte, wenn man einfach nichts tut. Zur Erinnerung: Krieg, In ation und Rezession gab es auch früher schon. Eine Vielzahl von Analysen hat gezeigt, dass Market Timing nicht funktioniert. Die Citibank rechnete 2017 vor, dass sich der annualisierte Gewinn eines US-Aktienanlegers in den 50 Jahren vor 2017 um80 Prozent (!) verringert hätte, wenn er in jedem Jahr nur die zwei (!) besten Tage des S&P 500 verpasst hätte.Wer durchhielt, erzielte ein Plus von 16 Prozent – pro Jahr. Wer 50 Jahre lang jährlich diese zwei besten Börsentage versäumte, erzielte kumuliert ein Plus von zehn Prozent, zieht man die In ation ab, bleiben 20 Prozent Verlust. J.P.Morgan gelangte 2022 in einer ähnlichen Analyse zu dem Ergebnis, dass der annualisierte 20-Jahres-Ertrag (2002–2021) von Schwellenländeraktien bei 11,2 Prozent lag; US-Aktien verdienten 9,5 Prozent, ein 60/40-Port- folio (entspricht am ehesten vermögensverwalten- den Fonds) erzielte 7,4 Prozent. Und der durch- schnittliche amerikanische Anleger? Auf Basis der Daten des unabhängigen Investment-Research- Unternehmens Dalbar Inc., das seit 1984 das Ver- halten und die Anlageergebnisse durchschnittli- cher amerikanischer Anleger analysiert, lag deren 20-Jahres-Rendite bei 3,6 Prozent jährlich. Im 2023er-Report schreiben die Dalbar-Experten: „Der neueste Quantitative Analysis of Investor Behavior Report bestätigt frühere Forschungsergebnisse, wonach Fondsinvestoren, die geduldig blieben und sich nicht auf kurzfristige Marktschwan- kungen konzentrierten, deutlich erfolgreicher waren als diejenigen, die ihre Emotionen über eine längerfristige Strategie zum Vermö- gensaufbau hinwegsetzen ließen.“ In Zahlen ausgedrückt heißt das: Während aus einem S&P-500-Investment von 100.000 US-Dollar in den 30 Jahren bis Ende 2022 ein Vermögen von 1,59 Millionen US-Dollar entstanden wäre, lag das Endergebnis des durchschnitt- lichen amerikanischen Aktienfondsinvestors bei 721.700 US-Dollar – und damit 55 Prozent darunter.Weniger (tun) ist mehr. Wir wünschen Ihnen wie immer an dieser Stelle einen ebenso erfolgreichen wie erholsamen Sommer. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Weniger (tun) bringt mehr Eine Vielzahl von Ana- lysen hat gezeigt, dass Market Timing nicht funktioniert, sondern fast sicher zu einer beträchtlichen Ertrags- verringerung führt. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.at 2/2023 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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