FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023

Vertagte Disruption Die EU-Kommission verzichtet darauf, ein generelles Provisions- verbot durchzusetzen. Verschärfungen wird es aber geben – und aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. D er Satz, mit dem Mairead McGuin- ness ihre Pläne für ein Provisionsver- bot zumindest vorerst beerdigte, hat das Potenzial, zum ge ügelten Wort zu wer- den: „Wir haben denen zugehört, die uns sagen, dass ein vollständiges Provisionsver- bot zu diesem Zeitpunkt zu disruptiv sein könnte“, sagte die EU-Kommissarin Ende April auf einer Konferenz in Stockholm. „Zu diesem Zeitpunkt zu disruptiv“ – da schwingt deutlich mit, dass McGuinness nach wie vor große Sympathien für ein sol- ches Vorhaben hegt, sie sich damit aktuell aber nicht durchsetzen konnte. Verbrau- cherschützer nahmen das mit Sarkasmus zur Kenntnis: „Die EU-Kommission ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger ge- landet“, sagte Britta Langenberg von der Bürgerbewegung Finanzwende. Klar ist jedenfalls: Auf Sicht der nächsten Jahre wird es kein generelles Provisionsver- bot in der Finanzberatung geben. Fest steht aber auch, dass nicht alles beim Alten bleibt. Hannes Dolzer, Fachverbandsob- mann der Finanzdienstleister in der Wirt- schaftskammer Österreich (WKO), sprach von einer „guten Entscheidung“. Er zeigte sich aber darüber hinaus zurückhaltend und betonte, dass man den konkreten Plan erst am 24. Mai kennen wird, nach Redak- tionsschluss dieser Ausgabe. An diesem Tag will die EU-Kommission aus heutiger Sicht Details zur europäischen Kleinanleger- strategie präsentieren. „Letztlich kommt es immer auf die Umsetzung an“, so Dolzer, der darauf verwies, dass McGuinness bei ihrer Rede auch Forderungen aufstellte. Aus demGesagten und einem Entwurf für dieses Papier ließe sich jedoch schon able- sen, in welche Richtung die Regelungen gehen könnten. Dazu gehören laut Dolzer die P icht zu mehr Transparenz, verschärfte Bedingun- gen für Vergütungsanreize, die Sicherstel- lung eines besseren Preis-Leistungs-Verhält- nisses, preisgünstige und leicht verständ- liche sowie für alle zugängliche Beratung, eine bessere Kostenaufschlüsselung, ver- stärkte Kontrollen der Aufsichtsbehörden und ein gezieltes Verbot von Vergütungs- anreizen für reine Ausführungsgeschäfte. Erweiterte Kostentransparenz Eine Verschärfung der Transparenzp ich- ten könnte wahrscheinlich darauf hinaus- laufen, dass die Ex-ante-Kostentransparenz noch einmal erweitert wird. McGuinness möchte Kleinanlegern zum Beispiel den Vergleich verschiedener Finanzinstrumente erleichtern. Zu befürchten wären etwa zu- sätzliche P ichten in der Anlageberatung. Denkbar wäre, dass künftig zum Beispiel ein umfassendes Marktscreening vorzuneh- men ist, um für den Kunden gleichwertige, aber günstigere Finanzprodukte zu ermit- teln. Das bedrohe Geschäftsmodelle, in denen Berater vor allem gruppen- oder hauseigene Produkte vermitteln. » Die EU-Kommission ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. « Britta Langenberg, Finanzwende Im Bürokomplex der Europäischen Kommission in Brüssel herrscht seit vielen Jahren Sympathie für ein absolutes Verbot von Zuwendungen im Finanzvertrieb. Doch wichtige Mitgliedsländer bremsen die Behörde. STEUER & RECHT Kleinanlegerstrategie 252 fondsprofessionell.at 2/2023 FOTO: © AREPORTER | STOCK.ADOBE.COM

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