FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023

Wer als Bank weiß, wie Anleger ticken, kann dies zumWohle des Kunden nutzen. „In einemGeschäftsumfeld, das fortlaufend von Regulierungen geprägt ist, wird es zu- nehmend schwieriger, sich als Kreditinstitut zu di erenzieren. Die Integration von Aspekten der Behavioral Finance stellt hier eine Chance dar“, meint Florian Forst, Partner und Leiter des Bereichs Financial Services in Zentraleuropa bei der interna- tionalen Strategieberatung Arthur D. Little in München. „Das Betreuungsangebot kann stärker personalisiert werden, was zu einer höheren Kundenzufriedenheit und -bindung führen kann.“ Vor Risiken schützen Aber nicht nur die Betreuung soll ver- bessert werden, sondern auch die Perfor- mance. Auf Basis von individuell erhobe- nen Präferenzen, aber auch historischen Verhaltensanalysen erhalten Kunden wich- tige Hinweise und Warnungen zu Invest- mententscheidungen. Anleger sollen so vor möglichen Risiken und auch Irrationali- täten gewarnt werden. Zu den „Gefahren“ zählt auch das soge- nannte Mental Accounting, die mentale Buchführung. Investoren teilen dabei nanzielle Transaktionen in mentale Kon- ten ein und behandeln diese Konten dann unterschiedlich. Das führt dazu, dass bei der Entscheidung über einen Aktienver- kauf auch immer der Einstandskurs eine Rolle spielt, obwohl dieser eigentlich nicht mehr relevant sein sollte. „Das Mental Accounting wird auch zur Erklärung der Kalenderanomalien ange- führt, wobei insbesondere die professionel- len Anlagemanager dazu neigen, für eine neue Periode – beispielsweise einen Monat oder ein Jahr – ein neues mentales Konto zu erö nen“, erklärt Roßbach. „In ähnlicher Weise wird der Indexe ekt begründet, wonach eine Aktie durch ihre Zugehörig- keit zu einem Index in ein anderes men- tales Konto transferiert und dort auch anders bewertet wird.“ Mental Accounting Die Strategieexperten von Arthur D. Little glauben, dass mit dem Einsatz von Behavioral Finance die Nachteile des oben beschriebenen Mental Accountings verhin- dert werden können. Macht der Berater dem Anleger dies im Beratungsgespräch bewusst, kann der Kunde rationalere Entscheidungen tre en und jagt beispiels- weise nicht mehr blind einem Trend hin- terher, so die Ho nung. „Wenn die Betreuung auf das individuel- le Anlegerverhalten abgestimmt ist, kann beispielsweise eine engere Begleitung von impulsiven Anlegern während Phasen hoher Volatilität oder eine kaskadierende Depotstruktur, die das Mental Accounting berücksichtigt, erfolgen“, erläutert Forst. Laut dem Strategieberater führt der Einsatz von Erkenntnissen aus der Behavioral Finance zu „statistisch nachgewiesenen höheren Renditen“, weil auf diese Weise sogenannte Behavioral Gaps, die zum Abweichen von einer Anlagestrategie füh- ren, vermieden werden können. Wenig verbreitet Doch welche Banken nutzen Behavioral Finance bereits? Ein Beispiel ist die Credit Suisse, die jüngst von der UBS aufgefangen werden musste. Die Schweizer Großbank integrierte verschiedene Aspekte der Ver- haltensökonomie in ihren „Fünf Phasen“- Beratungsprozess. Die Eidgenossen warnen ihre Anleger vor allem vor der sogenannten Overestima- tion, demÜberschätzen der eigenen Fähig- keiten. „Menschen überschätzen ihre Leis- tung oder Fähigkeit, den Ausgang einer Situation kontrollieren zu können, und überschätzen somit die Wahrscheinlichkeit von unwahrscheinlichen Ereignissen“, so das Research der Credit Suisse.Wie man es vermeidet, in die Falle der Selbstüberschät- zung zu tappen, verraten die Banker in einer Liste mit Ratschlägen (siehe Kasten nächste Seite). Rückblickend muss man sa- gen, dass es wohl gut gewesen wäre, wenn die Investmentbanker des Instituts einige dieser Tipps selbst berücksichtigt hätten. Welche weiteren europäischen Banken Erkenntnisse aus der Behavioral Finance umsetzen, wissen selbst Branchenkenner nicht im Detail. „Große internationale Finanzdienstleister beschäftigen sich bereits mit unterschiedlichen Aspekten der Beha- vioral Finance. Eine breite Implementie- rung dieser Lösungsansätze ist jedoch am Markt noch nicht erkennbar“, sagt Consul- tant Forst. „Dies kann vielfach auch darin begründet liegen, dass Banken in der Außenwirkung ungern o enlegen wollen, inwieweit sie Methoden zum Einsatz bringen, die die Kundenentscheidungen mit beein ussen.“ Ganz o en geht die Discovery Bank aus Südafrika mit dem Thema um.Das Institut nutzt ein Belohnungsprogramm, das ge- sundheitsbewusstes Verhalten mit mone- tären Sammelpunkten fördert. Somit bekommen die Kunden einen Anreiz, sich » Das Mental Accounting wird auch zur Erklärung der Kalenderanomalien angeführt. « Peter Roßbach, Frankfurt School of Finance and Management fondsprofessionell.at 2/2023 247 FOTO: © FRANKFURT SCHOOL OF FINANCE AND MANAGEMENT

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