FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023
Viertagewoche nach dem Pilotprojekt wei- ter, 18 blieben bereits nach den ersten sechs Monaten x dabei. Das World Economic Forum, das den Versuch mit Berichten begleitete, betont, dass das Modell zwar nicht zwingend für alle Sektoren geeignet sein muss. Allerdings sei weltweit ein Vor- marsch zu beobachten. Belgien hat seit Kurzem ein Recht auf Viertagearbeit ohne Lohnverlust. Und der Konsumgüterriese Unilever hat kürzlich die Viertagewoche in Australien eingeführt, nachdem ein Ver- such in Neuseeland die Geschäftsziele deut- lich gepusht hatte – inklusive Umsatz. Am Finanzsektor haben Großkonzerne mittlerweile ebenfalls Viertageexperimente gestartet. In Italien bietet die Intesa San- paolo, eines der größten Kreditinstitute des Landes, seit Anfang 2023 ihren 74.000 Mit- arbeitern diese Option. Das Gehalt bleibt gleich, während die Arbeitszeit leicht von 37,5 auf 36 Stunden sinkt. Die Bank will sich nicht nur als attraktiver Arbeitgeber positionieren, sondern auch ihre Stromrechnung senken. Am österreichischen Finanz- platz hat sich die Diskussion um Arbeitszeiten in den ver- gangenen Monaten verdichtet. Bei den Verhandlungen zum diesjährigen Bankenkollektiv- vertrag (KV) forderte die Ge- werkschaft für die rund 60.000 Beschäftigten eine Reduktion der regulären Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohn. Daraus wurde zwar nichts; die Forderung ver- schwand – vorerst – in der Schublade. Aus dem Banken- umfeld hört man, die 36-Stun- den-Woche sei bei der Gewerk- schaft eher kein Topthema, son- dern Manövriermasse für die Verhandlungen. Jedoch könnte die Ruhe nach dem KV-Ab- schluss täuschen. Denn aus der Gewerkschaft heißt es, es sei ihr „sehr ernst“mit der Arbeitszeitverkürzung. Diese soll dem Vernehmen nach in Kürze „massiv“ zum Thema am Bankensektor ge- macht werden. Ein Argument der Gewerk- schafter: Österreich zählt bei der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zu den Spitzenrei- tern (siehe Gra k unten). Weniger Wo- chenstunden würden es nicht zuletzt Mit- arbeitern mit Betreuungsp ichten – also insbesondere Frauen – erleichtern, von einem Teil- in ein Vollzeitarbeitsverhältnis umzusteigen. Raiffeisen Salzburg geht voran Seit April 2023 können bestehende und neue Mitarbeiter beim Rai eisen Verband Salzburg (RVS) das Viertagemodell wählen. Gearbeitet wird auf Basis einer Teilzeitan- stellung 36 Stunden; das Gehalt sinkt da- durch um 6,5 Prozent.Welcher Tag frei ist, wird ein Jahr im Voraus vereinbart. Trotz der Lohneinbußen sind innerhalb der ers- ten sechs Wochen über 30 Personen, davon zwei Drittel Männer, umge- stiegen, erklärt Personalchef Markus Winkelmeier. Das sind rund zwei Prozent jener Mitar- beiter, für die dieses Modell in- frage kommt. Nicht anwend- bar ist es naturgemäß bei Teil- zeit sowie bei Überstunden- pauschalen (von rund 3.000 Mitarbeitern steht 1.500 die Option o en). Aus der Sicht von Winkelmeier sind die ers- ten 30 Umstiege ein respektab- ler Wert. Schließlich sei es eine Veränderung, die Vorlaufzeit braucht und „in vielen Fällen erst mit den familiären Rah- menbedingungen abgestimmt werden muss“. Die Regelung stoße auch außerhalb des RVS auf Interesse, so Winkelmeier: Andere Unternehmen würden sich über die Erfahrungen in- formieren. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Das Thema muss oft erst mit den familiären Rahmenbedingungen abgestimmt werden. « Markus Winkelmeier, Personalchef Raiffeisen Verband Salzburg Lange Arbeitszeiten Österreicher bei tatsächlichen Job-Stunden im Spitzenfeld Die Angaben zeigen die durchschnittlich normalerweise geleisteten Wochenstunden in Vollarbeit in ausgewählten EU-Ländern. 1 Deutschland (bis1990 früheresGebietderBRD) | 2 EuropäischeUnion–27Länder (ab2020) |Quelle:Eurostat Finnland Dänemark Niederlande Frankreich Irland Slowakei Spanien Ungarn EU-27-Länder 2 Rumänien Belgien Italien Kroatien Deutschland 1 Bulgarien Tschechien Portugal Polen Schweden Österreich Griechenland Durchschnittliche geleistete Wochenarbeitsstunden in Haupttätigkeit 43,2 41,9 41,6 41,3 41,3 40,7 40,6 40,6 40,6 40,6 40,5 40,5 40,5 40,4 40,2 40,2 40,1 39,9 39,5 39,3 38,9 fondsprofessionell.at 2/2023 245 FOTO: © RVS SALZBURG
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