FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023

Aus fünf mach vier Wo die Viertagewoche eingeführt wird, gibt es viel Lob. Raiffeisen Salzburg gehört auch dazu. Doch insgesamt zögert die Branche. Nun will die Gewerkschaft aktiv werden, wie die Redaktion erfuhr. W er über die Viertagewoche nach- denkt, steht vor einem rätselhaften Jobinstrument: Für die einen scheint sie ge- radewegs in den Untergang zu führen, während sie für die anderen als Heilsbrin- ger gilt. Eine Stundenreduktion in Form ei- ner Viertagewoche sei ein „volkswirtschaft- liches Todesurteil“, donnerte unlängst Wirt- schaftskammerpräsident Harald Mahrer. Dadurch verstärke sich der Arbeitskräfte- mangel. Bereits jetzt sei davon auszugehen, dass bis 2040 jeder zehnte Arbeitsplatz nicht mehr besetzt werden könne. Es sei ein Märchen, dass es uns mit einer Arbeits- zeitreduktion besser gehen würde. Feldversuche zeigen aber auch eine ande- re Seite. Die britische Atom Bank führte 2021 die Viertagewoche ein – genau wegen des Fachkräftemangels: Nach der erschöp- fenden Coronakrise habe seine digitale Start-up-Bank „neue Energie“ gebraucht, schreibt CEO Mark Mullen in einem Bei- trag in der „Washington Post“. „Die Lock- downs waren für alle hart. Aufgrund der sich erholenden Wirtschaft drohte auch die starke Nachfrage nach Fachkräften im Technologiebereich, uns einige unserer besten Leute zu entziehen“, so Mullen. Die Viertagewoche sei kein Versuch, sich als besonders „woke“ hervorzutun, sondern schlicht „eine pragmatische Reaktion auf den Arbeitsmarkt“. „Wir wollten die Pro- duktivität steigern“, so Mullen, der dafür die wöchentliche Arbeitszeit jedes Mitarbeiters um 3,5 Stunden senkte, während das Ge- halt unverändert blieb. Die Folge waren messbare Verbesserungen: Die Rekrutie- rungskosten sanken ebenso wie die Perso- nalabwanderung und Krankenstände, wäh- rend Mitarbeiterproduktivität, Rentabilität und Kundenzufriedenheit stiegen. Ende 2022 verankerte Atom die Viertagewoche dauerhaft. Dieses Jahr zog die ebenfalls britische Metro Bank nach, die schon davor damit experimentiert hatte.Hier können die Mit- arbeiter – allerdings ohne Stundenreduk- tion – entscheiden, ihre Zeit an vier Tagen abzuarbeiten. Der Schritt fügt sich in das Schichtarbeitsmodell der Bank, die für ihre Ö nungszeiten am Abend und am Wo- chenende bekannt ist. Fast zwei Drittel der Filialkollegen sind laut Angaben aus dem Februar auf das neue Modell umgestiegen. Bisher größter Versuch Beide Banken werden durch die Erfah- rungen aus dem bisher größten wissen- schaftlich begleiteten Versuch mit der Vier- tagewoche gestützt: Zwischen Juni und Ende 2022 testeten (einmal mehr) im Ver- einigten Königreich über 60 Unternehmen mit rund 3.000 Mitarbeitern die Viertage- woche bei 80 Prozent der Arbeitszeit und vollem Lohn. Auch hier ähnliche Beobach- tungen: Das Produktivitätsniveau blieb weitgehend gleich, während sich vieles zum Positiven wandelte. So sanken die Krankheitstage um 65 Prozent. Fast alle teil- nehmenden Unternehmen testeten die » Wir wollten die Produktivität steigern. « Mark Mullen, Atom Bank Eine Viertagewoche – mit oder ohne gleichzeitige Arbeitszeitverkürzung – ist der österreichischen Finanzbranche ein Gräuel. Doch die Diskussion ist nicht mehr aufzuhalten. BANK & FONDS 36-Stunden-Woche 244 fondsprofessionell.at 2/2023 FOTO: © DRAGON CLAWS | STOCK.ADOBE.COM

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