FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023
wie Italien, Spanien oder Portugal auf- grund des geringeren ökonomischen Akti- vitätsniveaus von den Preisen weniger be- ein+usst wurden als etwa die baltischen Staaten, die immer noch ein hohes reales Wachstum von fünf bis sechs Prozent haben. Dadurch ist die In+ation in diesen Ländern auch deutlich höher, teilweise stieg sie dort auf über 20 Prozent. Trotz der unterschiedlichen Interessenlagen gab es dann aber Zinsschritte von 50 und 75 Basispunkten, mit denen man in dieser Deutlichkeit nicht gerechnet hat. Dass das nun gebremst wird, hat mit der Sorge zu tun, dass man im Hinblick auf die In+a- tionsentwicklung etwas übertreibt.Die Sor- gen vor einer Ab+achung der Konjunktur verfestigen sich. Meine persönliche Mei- nung ist, dass wir noch stärker durchgrei- fen müssen. Ich hätte mir bei der letzten Zinsentscheidung weiterhin eine höhere Zahl – 50 statt 25 Basispunkte – ge- wünscht. Insofern stimme ich auch mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde über- ein, dass wir nicht fertig sind und noch mehr getan werden muss.Mir wäre es nur lieber gewesen, dies jetzt umzusetzen. Mit einem Leitzins von aktuell 3,25 Prozent sind wir bei einer Kernin+ationsrate von fast sechs Prozent im Bereich des Realzin- ses immer noch deutlich negativ – auch wenn man dies mit den USA vergleicht, die schon bei einem Zinssatz von über fünf Prozent liegen, obwohl dort die Kern- in+ationsrate geringer ist als bei uns. Wo müsste man Ihrer Meinung nach bei den Zinsen in Europa hin? Wenn wir die In+ation rasch in den Griff bekommen wollen, müssen wir uns noch in diesem Jahr in Richtung von vier Pro- zent oder auch darüber bewegen.Nächstes Jahr wird es zu spät sein, da die Verfesti- gung der In+ation dann zu stark sein wird. Aussagen der Politik, dass wir beim aktuel- len Zinsniveau die In+ation bis Ende 2025 wieder auf zwei Prozent bekommen, halte ich für sehr optimistisch. Müsste man das Inflationsziel von zwei Prozent nicht sowieso anpassen? Nein, wir haben ein symmetrisches Zwei- Prozent-In+ationsziel, und das ist, glaube ich, gut so. Wir erlauben auch ein Über- und Unterschießen, hier sind wir +exibler geworden. Meiner Meinung nach sollte man nicht dem folgen, was der US-Öko- nom Larry Summers und der ehemalige Chefökonom des IWF, Olivier Blanchard, gefordert haben, nämlich über ein In+a- tionsziel von drei bis vier Prozent nachzu- denken. Ich glaube, es ist extrem wichtig für die Glaubwürdigkeit einer Geldpolitik, dass die In+ationserwartung stabil gehalten wird. Daher ist es aus meiner Sicht wichtig, jetzt noch energischer einzugreifen. Wie schätzen Sie aktuell die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ein? EZB-Präsidentin Lagarde erklärte Ende Februar, dass sie im Euroraum derzeit keine Anzeichen dafür sieht …. Ich würde sagen, es gibt imMoment einen Lohn-Preis-Kreislauf. Wir haben immer noch signi kante Preis- wie auch Lohner- höhungen.Wenn wir diesen Kreislauf aber nicht aufbrechen, wird es sehr lang dauern, bis wir die In+ation wieder runterbringen. Diese Befürchtung habe ich. Daher ist es auch wichtig, ein Signal an die Arbeitge- ber- und -nehmerverbände zu senden, dass diese in den Verhandlungen Kompromisse eingehen müssen, da die Alternative bedeu- ten würde, dass wir noch stärker eingreifen müssten. Danke für das Gespräch. GEORG PANKL FP KURZ-VITA: Robert Holzmann Nach seinen Wirtschaftsstudien in Wien und Grenoble war der Ökonom als Universitätsprofessor in Wien, Saarbrücken und Kuala Lumpur tätig. Außerdem arbeitete er für die OECD in Paris, als Chefökonom beim Internationalen Währungs- fonds in Washington und wurde schließlich Experte für Soziales und Arbeit bei der Weltbank, wo er es zum Research Director brachte. Am 1. September 2019 übernahm Robert Holzmann den Posten als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und ist seitdem auch EZB-Ratsmitglied. » Nächstes Jahr wird es zu spät sein, da die Ver- festigung der Inflation dann zu stark sein wird. « Robert Holzmann, OeNB FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN VERTRIEB & PRAXIS Robert Holzmann | OeNB 240 fondsprofessionell.at 2/2023
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