FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2023
Realitäts verweigerung Steigende Zinsen, Inflation und Kredithürden zeigen Wirkung: Das Geschäft mit Wohnimmobilien läuft nicht mehr so wie Anfang 2022. Der Nachfragemangel drückt langsam die Preise. D ie Dynamik der anhaltenden Immo- bilienpreissteigerungen in den vergan- genen Jahren hat sich – vor allem von 2021 auf 2022 – merklich abgeschwächt, formu- lierte die Wirtschaftskammer Mitte April vorsichtig. Brancheninsider werden hinter vorgehaltener Hand deutlicher und berich- ten von einbrechenden Geschäften und grimmigen Aussichten. Der Immobilienmarkt ist im Umbruch. Da sich die Konsolidierungsentwicklung erst in den kommenden Monaten in der Statistik zeigen wird, kann die Branche die Krise aber kaschieren. Das geht noch recht einfach, indem beispielsweise von Ange- botspreisen und nicht von tatsächlich ver- traglich vereinbarten Kaufpreisen gespro- chen wird. Die Zahlen gehen stark aus- einander, auch wenn die meisten Markt- teilnehmer das nicht wahrhaben wollen. Fest steht: Der Boom im Immobilien- geschäft trieb die Preise und Transaktions- volumina zu neuen Rekorden. Damit ist nun Schluss. „Seit Herbst 2022 ist zum ers- ten Mal seit zehn Jahren ein Rückgang bei Immobilientransaktionen zu bemerken“, bestätigt der WKO-Fachverbandsobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhän- der, Gerald Gollenz. Aber ein Rückgang oder gar Preisverfall am Wohnungsmarkt sei nicht zu erwarten, weil die Nachfrage bei privaten und gewerblichen Investoren nach wie vor stark sei. Meinungsverschiedenheiten Diese Wahrnehmung entspricht jedoch nicht der Realität. De facto ist im Privat- kundenbereich die Nachfrage nach Immo- bilien zum Kauf seit Herbst 2022 drama- tisch eingebrochen, weil die Irritationen so groß wie schon lange nicht sind, was selbst Bauträger und Funktionär Gollenz zugibt: „Ich habe in meiner beru ichen Laufbahn schon viele Hochs und Tiefs der Immobi- lienwirtschaft erlebt, aber selten so viel Ver- unsicherung gesehen wie derzeit.“Auch im gewerblichen Sektor herrscht Zurückhal- tung, weshalb kaum Deals statt nden. Die Investitionsbereitschaft wird durch zahlreiche Faktoren gebremst, dazu zählen unter anderem die anhaltend hohe In a- tion, bei der Österreich im europäischen Vergleich konstant zu den Spitzenreitern zählt, sowie steigende Zinsen, verschärfte Kreditvergaben und die hohen Energiekos- ten. Als Reaktion darauf warten viele po- tenzielle Käufer erst einmal ab. „Viele Leute können auch gar nicht mehr kaufen, weil die Immobilien im Verhältnis zu den Kre- diten mittlerweile zu teuer sind“, sagt ein Insider und ergänzt: „Deshalb gehen die Preise sehr wohl deutlich zurück.“ Abhän- gig von Region, Lage und Qualität des Objekts stürzten die Preise um bis zu 30 Prozent ab, heißt es in informierten Kreisen. Wohnungsmarkt In den Ballungsgebieten, glauben viele im Markt, wird es nicht so schlimm wer- den. Sie rechnen mit einer Nachfrage, die so stark ist, dass die Kaufpreise stabil blei- ben und die Mieten noch steigen. „Laut OeNB fehlen in Wien immer noch rund 30.000 Wohnungen, das Bevölkerungs- wachstum ist positiv, und gleichzeitig ge- hen die Fertigstellungen deutlich zurück“, betont Peter Karl, Geschäftsführer der Erste Immobilien KAG. Interessenten, die auf- Der Höhenflug am Immobilienmarkt ist zu Ende. Inzwischen ist der Druck auf die Preise so hoch, dass Wohn- immobilien wieder günstiger werden. Doch die Branche will davon nichts wissen. SACHWERTE Immobilienmarkt 168 fondsprofessionell.at 2/2023 FOTO: © SENTELLO, JAYANNPO | STOCK.ADOBE.COM
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=