FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2023

Die ganz grundsätzlichen Bedingungen für ein Investment müssten zunächst einmal sehr viel transparenter gestaltet sein. Es müsste zum Beispiel eindeutig nachvoll- ziehbar offengelegt werden, an wen die produzierten Waffen verkauft werden, was bis heute nicht der Fall ist.Man müsste als Analyst zudem konkret nachverfolgen kön- nen, wie vertrauenswürdig solche Angaben an sich, aber auch die Endkunden am Ende der Lieferkette tatsächlich sind. Das ist aber bisher keineswegs der Fall. Eines der großen Probleme imGeschäft mit Waf- fen und Rüstungsgütern ist doch Folgen- des: Bestimmte Waffen werden heute an Land X verkauft. Aber oft schon nach zwei oder drei Jahren weiß man nicht mehr, in welches Land Y diese Waffen weiterver- kauft wurden. Solche Fragestellungen müs- sen zunächst einmal diskutiert und für uns als ESG-Investor zufriedenstellend geklärt werden. Dann könnten unter Umständen auch wir in Zukunft investieren. Im vorigen Jahr hat die ESMA die SFDR- Anforderungen an Artikel-9-Fonds deutlich schärfer ausgelegt. Am Ende hat das zu einer 175-Milliarden-Euro-Migration in die weniger strenge Artikel-8-Klasse geführt. Mussten Sie auch Fonds umklassifizieren? Nicht einen einzigen.Unsere Produkte ent- sprechen nach wie vor ausschließlich Arti- kel 9 der SFDR. Und das war eine bewusst getroffene Entscheidung. Denn während viele Asset Manager den einfacheren Weg gegangen sind und ihre Fonds in Artikel 8 umklassi ziert haben, sind wir den schwie- rigeren Weg gegangen.Denn ohne gewisse, wenn auch nur leichte Anpassungen unse- res Analyse- und Auswahlprozesses hätten auch wir einzelne Fonds nach Artikel 8 SFDR einordnen müssen. Aber genau das wollten wir unbedingt verhindern – nicht nur aus Gründen der Glaubwürdigkeit in der Außenwirkung, sondern weil wir als Unternehmen den unbedingten Anspruch hatten, dass unsere Produkte zu 100 Pro- zent einen Impact haben. Werfen wir einen Blick nach vorn: Was sehen Sie auf die Branche des nachhaltigen Investierens zukommen? Ich würde sagen, dass wir zu einem gewis- sen Grad den einfachsten Teil erledigt haben. Die tief hängenden Früchte sind geerntet, was die Integration von Nachhal- tigkeit wie auch einiger sozialer Aspekte in die Investmententscheidungen von Inves- toren betrifft. Aber wir sind noch nicht im Herzstück des Kapitalmarktes ange- kommen. Denn der Kern des Systems ist immer noch derselbe. Was meinen Sie konkret? Der Markt verhält sich immer noch genau- so wie früher. Kurzfristiges Denken und Handeln bestimmen immer noch das Geschehen, und die meisten Marktteilneh- mer schauen nach wie vor in erster Linie auf die Quartalsergebnisse von Unter- nehmen. Die nanzielle Performance ist immer noch die treibende Kraft, die als entscheidend gilt. Natürlich brauchen wir Unternehmen, die auskömmliche Gewin- ne erzielen, aber sie müssen eben auch einen Beitrag zu der vor uns liegenden Transformation leisten. In der Realität aber machen passive Investments immer noch 50 Prozent der Anlagen von Pensionsfonds aus, und der Hochfrequenzhandel blüht nach wie vor. Die Frage ist, ob wir das System überhaupt von innen heraus ver- ändern können. Das war jedenfalls der Anspruch, der uns vor zehn Jahren zur Gründung von Mirova veranlasst hat. Und diese Frage beschäftigt mich auch heute noch fast jeden Tag. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER FP KURZ-VITA: Philippe Zaouati Philippe Zaouati ist Gründer und Vorstandschef der Fonds- gesellschaft Mirova, eine Tochter des Natixis-Konzerns mit Sitz in Paris. Vor der Gründung von Mirova war er über sechs Jahre stellvertretender Vorstand der früheren Natixis Asset Management. Davor hat Zaouati neun Jahre lang den Bereich Marketing und Kommunikation von Crédit Agricole Asset Management geleitet. » Die Frage ist, ob wir das System überhaupt von innen heraus verändern können. « Philippe Zaouati, Mirova FOTO: © FRANÇOIS DABURON MARKT & STRATEGIE Philippe Zaouati | Mirova 98 fondsprofessionell.at 1/2023

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