FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2023

Rüstungsgütern bei MTU scheinen das auch diemeisten ESG-Ratingagenturen bei beiden zu bestätigen. Sie kritisieren die Ratingbranche dennoch. Warum? Pro tlich: Wir nutzen Ratings nur nach- gelagert und nicht als initiales Research- instrument. Was wir bemängeln, sind die aus unserer Sicht häu g zu beobachtende Intransparenz und Inkonsistenzen. Vieles wird über einen Kamm geschoren. Dies führt dazu, dass keine Einigkeit unter den verschiedenen Ratingagenturen herrscht. Die Korrelation zwischen den Einstufun- gen der größten Anbieter bleibt nach wie vor gering, wie verschiedene Studien zeigen. Konkret führt das dazu, dass sich die Ratinganbieter höchst uneinig darüber sind, welche Unternehmen besonders nachhaltig agieren oder entsprechende De zite aufweisen. Dadurch wissen selbst Unternehmen oft nicht, was ihre Stake- holder und die ESG-Ratingagenturen eigentlich von ihnen erwarten. Kölsch: Wie gehen Sie damit um? Pro tlich: Wie gesagt stellen ESG-Ratings nicht den Ausgangspunkt zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Unternehmen in- nerhalb unseres Investmentprozesses dar. Aber sie dienen durchaus als eine Art Abgleich mit unseren eigenen Analyse- ergebnissen. Heuser: Kann man daraus schließen, dass Ihr ESG-Analyseprozess weniger einer strukturierten Systematik mit vorab defi- nierten, klar nachvollziehbaren Kriterien folgt, sondern eher eine individuelle quali- tative Abschätzung Ihrerseits stattfindet? Pro tlich: So kann man es beschreiben.Den Kern bilden sehr stark qualitative Abwä- gungen unsererseits. Wir beschäftigen uns mit den Unternehmen, in die wir investie- ren, wirklich in der Tiefe, manchmal über Monate, in einigen Fällen sogar schon über Jahre hinweg. Da mein Partner Nicolas Schmidlin und ich nur zu zweit sind im Management des Fonds, geht das natürlich nur, weil wir die Zahl unserer Investments mit 20 bewusst begrenzt halten. So sind wir aber am Ende in der Lage, uns nicht nur mit der Unternehmensleitung, son- dern auch mit Kunden, Wettbewerbern und Branchenexperten persönlich zu tref- fen, um uns so ein ausführliches Bild nicht nur in Bezug auf die eigentliche Geschäfts- tätigkeit des jeweiligen Unternehmens zu machen, sondern auch über die Berück- sichtigung der drei ESG-Dimensionen. Heuser: Dann spielt offenbar der Aspekt Governance eine herausragende Rolle für Ihren ESG-Ansatz? Pro tlich: Aus unserem langfristigen Ansatz ergibt sich, dass gute Unternehmensfüh- rung die Grundlage für eine potenzielle In- vestition darstellt. In Bezug auf den Punkt Governance gibt aus unserer Sicht mehr als bei anderen ESG-Dimensionen eine Viel- zahl von objektiven Beurteilungsfaktoren. Aber man sollte auch nicht unterschätzen, dass sich aus manchen Erkenntnissen, die für die Beurteilung der Unternehmensfüh- rung bedeutend sind, auch wesentliche Hinweise auf andere Bereiche, beispielswei- se zum Bereich Soziales, ergeben. Heuser: Geben Sie uns ein Beispiel? Pro tlich: Ein wesentliches Beurteilungs- kriterium ist für uns der sogenannte Net Promoter Score, eine Kennzahl, die die Zufriedenheit, Treue und Bindung von Kunden eines Unternehmens darstellt. Bei einigen Beteiligungen von uns fällt dieser Wert deutlich höher aus als bei Wettbe- werbern. Das sagt nicht nur etwas über die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit aus, sondern auch über den Umgang mit Kun- den, ein Aspekt beim „S“ von ESG. Kölsch: Sind Sie denn angesichts der Tat- sache, dass Sie als die beiden Fondsmana- ger keine sonstige Unterstützung erhalten, zu ernsthaftem Engagement in der Lage? Pro tlich: Das ist genau einer der Gründe, » Wir verstehen unseren Job nicht als Tätigkeit, die man vom Schreibtischstuhl aus erledigen kann. « Marc Profitlich, Profitlich Schmidlin MARKT & STRATEGIE Nachhaltig nachgefragt | Marc Profitlich | Profitlich Schmidlin 86 fondsprofessionell.at 1/2023 FOTO: © STEFAN GREGOROWIUS NACHHALTIG NACHGEFRAGT

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