FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2023

Daher gilt die Faustregel, dass die Leibrente umso niedriger ausfällt, je jünger der Ver- käufer ist und je länger das Wohnrecht be- steht. Um die In ation auszugleichen, kön- nen die Vertragspartner freiwillig verein- baren, dass die monatlichen Leibrentenzah- lungen wertgesichert werden. „Das ist zur- zeit ein schwieriges Thema“, sagt Preyer. Der Verkäufer kann auf das Wohnrecht verzichten, um höhere Rentenzahlungen zu bekommen. Für den Investor ist das positiv, erklärt Schmidt: „Je teurer die Immobilie vermietet werden könnte und je jünger der Wohnrechtsbesitzer ist, umso wertvoller wird das Wohnrecht.“ Konkrete Zahlen sind schwierig, die Rente kann aber durchaus um gut ein Fünftel höher sein, hört man in der Branche. In dem Fall, dass ein Verkäufer nachträglich auf das zunächst ausbedungene Wohnrecht verzichtet, ver- einbaren die Vertragspartner in der Regel eine Sonderzahlung. Im Idealfall schneller Gewinn Bei der Leibrente besteht ein immanen- tes wirtschaftliches Risiko für den Ver- käufer und seine Erbengemeinschaft auf der einen und den Investor auf der ande- ren Seite. Nicht ohne Grund ist die Leib- rente im rechtlichen Sinne ein „Glücksver- trag“ (siehe Infokasten): Stirbt der Verkäufer früher als erwartet, muss der neue Eigen- tümer weniger als prognostiziert für die Liegenschaft zahlen. Für ihn ist das ein gutes Geschäft, weil er in diesem Fall mit vergleichsweise wenig Kapitaleinsatz schnel- ler als vorhergesagt eine Immobilie erwor- ben hat. Ein weiterer Vorteil für den Investor: Gesetzlich gibt es keine Mindestzahlung an den Verkäufer oder seine Erben. Die frei- willige Praxis sieht laut 3SI-Chef Schmidt durchaus anders aus: „Wir vereinbaren manchmal einen Fixbetrag an den oder die Erben, falls das Ableben unerwartet früh erfolgen sollte.“ Auch eine freiwillig ver- einbarte vertragliche Rückkaufoption wäre denkbar. „Unsere Verträge sehen das für die Erben vor. Diese wurde meines Wissens aber noch nie genützt“, so Preyer. Kein Geschäft ohne Risiko Die Investoren müssen auch bei diesem Geschäft Risiken tragen. Das betri t einer- seits das – unter Umständen unbefristete lebenslange – Wohnrecht des Verkäufers. Es beeinträchtigt den Gesamtwert der Immo- bilie, weil nicht vorhersehbar ist, wann sie frei wird und neu vermietet werden kann. Außerdem kostet die Leibrente in Summe eventuell mehr als bei einem konventionel- len Kauf des Hauses, wenn der Verkäufer deutlich älter als erwartet wird. Andererseits besteht ein Kostenrisiko, weil die Instand- haltung auf die Kappe des Investors geht. Käufer sind neben Immobilienunterneh- men wie 3SI beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater und vermögende Privatinves- toren. Die Änderungen im Finanzierungs- umfeld wirken sich nicht negativ aus, im » Aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten hat sich die Nachfrage deutlich erhöht. « Michael Schmidt, 3SI Immogroup Rechtsgrundlage für die Leibrente in Österreich Die Leibrente ist im Sinne des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) ein sogenannter Glücksvertrag (§ 1269). Dazu gelten folgende Paragrafen im ABGB: § 1284: Wird jemanden für Geld, oder gegen eine für Geld geschätzte Sache auf die Lebens- dauer einer gewissen Person eine bestimmte jährliche Entrichtung versprochen; so ist es ein Leibrentenvertrag. § 1285: Die Dauer der Leibrente kann von dem Leben des einen oder andern Teiles, oder auch eines Dritten abhängen. Sie wird im Zweifel vierteljährig vorhinein entrichtet; und nimmt in allen Fällen mit dem Leben desjenigen, auf des- sen Kopf sie beruht, ihr Ende. § 1286: Weder die Gläubiger, noch die Kinder desjenigen, welcher sich eine Leibrente bedingt, sind berechtiget, den Vertrag umzusto- ßen. Doch steht den Erstern frei, ihre Befriedigung aus den Leibrenten zu suchen; den Letztern aber, die Hinterlegung eines entbehrlichen Teiles der Rente zu fordern, um sich den ihnen nach dem Gesetze gebührenden Unterhalt darauf versichern zu lassen. Aus dem Gesetz geht also klar hervor, dass die Überlassung einer Liegenschaft gegen eine Leib- rente ein regulärer Kaufvertrag ist, bei dem die Liegenschaft den Kaufgegenstand darstellt. Der Kaufpreis ist der Höhe nach jedoch nicht fest- gelegt, da er letztlich von der Lebensdauer des Beziehers der Leibrente (Verkäufer) abhängt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof ist dahingehend kritisch zu prüfen, dass der Verkäufer nicht sittenwidrig benachteiligt wird. Das wäre etwa bei einer zu niedrigen Bewertung der Liegenschaft („krasser Wertirrtum“) oder der Be- rechnung der Lebenserwartung zu Ungunsten des Verkäufers der Fall. Dann könnte der Vertrag gemäß § 879 ABGB nichtig sein. Quelle:www.ris.bka.gv.at fondsprofessionell.at 1/2023 141 FOTO: © STEFAN JOHAM | 3SI IMMOGROUP

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