FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022

Punkt stellen sich die Bantleon-Volkswirte gegen die Mehrheit der Beobachter. Für diese Haltung führt Kuhnke einige Gründe ins Feld. „Die US-Notenbank muss für Entspannung am Arbeitsmarkt sorgen, um die Inflation zu senken. Daher muss sie eine Rezession herbeiführen, auch wenn sie das nicht so klar kommunizieren darf“, sagt Kuhnke. Der Effekt steigender Zinsen belaste die US-Konsumenten be- reits stärker als in Europa. „Die steigenden Zinsen bremsen den Immobilienmarkt und dämpfen den Konsum und letztend- lich die Konjunktur.“ Arbeit vor Konsum In der Eurozone wiederum würde sich die Inflationsrate im nächsten Jahr hal- bieren. „Die Notenbanken werden daher den eingeschlagenen Weg der Leitzins- erhöhungen nicht fortführen“, folgert Kuhnke. Dabei kämen Basiseffekte ins Spiel. „Die Preise für Energieträger sinken bereits“, erläutert der Marktkenner. „Um erneut hohe Inflationsraten anzufachen, müssten sie wieder deutlich steigen. Das ist nicht abzusehen.“ Zumal die Strom- und Gaspreisbremsen mögliche Anstiege dämp- fen würden. Zwar werde es auch zu Lohnerhöhungen kommen. „Die bisherigen Tarifabschlüsse fielen jedoch vernünftig aus“, meint Kuhnke. „Denn sie ste- hen unter dem Eindruck der nahenden Rezession und eines möglichen Arbeitsplatzabbaus. Dem Erhalt von Arbeitsplätzen wird bereits Vorrang einge- räumt.“ Zudem dürften die Menschen Lohnerhöhungen angesichts eines möglichen Arbeitsplatzverlustes horten und nicht für den Konsum ausgeben. „Zweitrundeneffekte werden also nicht greifen“, zeigt sich Kuhnke überzeugt. Diese Gemengelage spielt dem Ren- tenmarkt in die Hände. „Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen werden im Lauf des Jahres 2023 von derzeit mehr als zwei Prozent auf ein Prozent sinken“, pro- gnostiziert Kuhnke. „Kauft ein Anleger jetzt eine zehnjährige Bundesanleihe, lässt sich ein Kursgewinn von gut neun Prozent erwarten.“Dies ergebe zusammen mit dem Kupon eine Performance von gut zehn Prozent. „So eine Performance für ein Jahr lässt die Rentenmärkte ausgesprochen attraktiv erscheinen“, sagt Kuhnke. Die Aktienmärkte würden 2023 demgegen- über unter dem Eindruck der Rezession kaum ihre durchschnittliche Rendite von fünf bis sieben Prozent per annum errei- chen können. „Anleihen sind so spannend wie lange nicht mehr.“ Zeit für Anleihen Ganz ähnlich sieht dies auch Chris Iggo, Investmentchef bei Axa Investment Mana- gers. „Bei Anleihen mit langer Laufzeit könnte das Schlimmste vorbei sein, da sich die Zentralbanken in den kommenden Quartalen dem Ende des Straffungszyklus nähern und sich die Inflation umkehrt“, so der Kapitalmarktexperte. Die Renditen langlaufender Anleihen seien rasch wieder in die Bereiche zurückgekehrt, wie sie vor dem Jahrzehnt der quantitativen Locke- rung üblich waren. Bei Aktien hingegen sieht Iggo kaum Chance auf Besserung. Denn die Zeichen deuten zu- nächst auf sinkende Unterneh- mensgewinne hin. Daher wer- de es dauern, bis sich hier die Hoffnung auf eine echte Erho- lung einstellt. Allein schon aufgrund der Bewertungsniveaus bei Anlei- hen sieht auch Andrew Balls, globaler Anleihenchef beim US-Fondshaus Pimco, attrakti- ve Chancen. „Angesichts der höheren Renditen bei allen Laufzeiten sind wir der Auffas- sung, dass jetzt die Zeit gekom- men ist, in Anleihen zu inves- tieren“, sagt Balls. „Wir glauben, dass qualitativ hochwertige festverzinsliche Märkte jetzt Renditen erzielen werden, die » Anleihen sind so spannend wie lange nicht mehr. « Stephan Kuhnke, Bantleon Bonds meistens besser Zehnjährige US-Treasuries bei negativem S&P 500* Anleihen schneiden in rauen Börsenphasen meist besser ab als Aktien. *Verteilungder relativenMonatsperformancezehnjährigerUS-Staatsanleihen,wennderS&P500negativschloss |Quelle:HQTrust 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Durch- schnitt 2020 er 2010 er 2000 er 1990 er 1980 er 1970 er 1960 er 1950 er 1940 er Anteil in % Anleihen positiv und besser als Aktien Anleihen negativ, aber besser als Aktien Anleihen schlechter als Aktien MARKT & STRATEGIE Anleihen 94 fondsprofessionell.at 4/2022 FOTO: © THOMAS WIELAND | BANTLEON

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