FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022
Synthetische Artenvielfalt Ohne Derivate geht bei vielen Publikumsfonds fast nichts mehr. Je nach Verwendung erhöhen sie die Effizienz, verringern das Risiko oder erlauben deutlich aggressivere Strategien. Ein Überblick. S olange alles gut geht, sind Derivate effizient, unsichtbar und geräuschlos. Manchmal aber werden sie zum Problem, und dann wird es rasch dramatisch. So etwa Ende September, als sie fast das briti- sche Finanzsystem zum Kollaps brachten. Den Ausgang nahm die Krise bei briti- schen Pensionsfonds, die nicht gerade für hochspekulative Wetten bekannt sind. Sie investieren vor allem in britische Staatsan- leihen und gehen derivative Swapgeschäfte ein, um laufende Zinsen auszuschütten. Als die Regierung Liz Truss Ende September ihre utopischen Haushaltspläne vorstellte, sackten ihnen die Anleihenkurse so rasch unter den Füßen weg, dass sie Anleihen verkaufen mussten, um die zusätzlichen Sicherheiten für ihre Swap-Partner aufzu- bringen. Doch niemand wollte die Papiere in dieser Situation kaufen. Die drohende Abwärtsspirale durchbrach erst die Bank of England, die als Käufer einsprang. Die glücklose Liz Truss dagegen musste kurze Zeit später zurücktreten. Ob britische Pensionskassen, die Leh- man-Pleite 2008 oder die Schieflage des Hedgefonds LTCM 1998, in dessen Ma- nagement mit Robert Merton und Myron Scholes ausgerechnet zwei Nobelpreisträger involviert waren, die kurz zuvor für ihre Optionspreisforschung ausgezeichnet wor- den waren: Derivate standen im Zentrum vieler Krisen. Plakativ brachte das Warren Buffett auf den Punkt, der Derivate zu „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ erklärte. Dabei erlauben sie es, Portfolios rasch und punktgenau zu steuern und die- nen wie ein Schmiermittel für die Port- foliokonstrukteure und -manager. Zahlrei- che Publikumsfonds wären ohne Derivate gar nicht mehr optimal steuerbar, ganz zu schweigen von synthetischen ETFs oder Spezialstrategien wie Managed Futures. Zu Derivaten zählen alle Finanzinstru- mente, deren Preis sich von einem Basis- wert ableitet, etwa einer Aktie oder Anleihe. Die meisten Aktien- und fast alle Renten- fonds setzen auf Derivate; auch in Multi-As- set- und sogar in Geldmarktfonds zählen sie zum Standardwerkzeug.Die Vielzahl an börsen- und nicht börsengehandelten Instrumenten lässt sich je nach Blickwinkel verschiedenen Kategorien zuordnen. Punktgenaue Steuerung Das deutsche Kapitalanlagegesetz unter- scheidet nach Einsatz zu Sicherungs- und Investmentzwecken. Nach dem ihnen zu- grunde liegenden Basiswert gibt es Derivate unter anderem auf Aktien, Anleihen, Zin- sen, Devisen oder Rohstoffe. Einige sind börsennotiert, OTC-Derivate dagegen wer- den direkt zwischen professionellen Anle- gern gehandelt. Im Portfolio dienen sie oft als Ersatz für physische Wertpapiere, etwa um die Allokation rasch und günstig anzu- passen, und manchmal bestimmen sie auch den Charakter eines Fonds. » Es wäre wünschens- wert, den Derivate- einsatz möglichst trans- parent darzustellen. « Detlef Glow, Refinitiv Lipper Insekten und Blüten machen die reale Welt ein Stück bunter. In der Finanzwelt kommt diese Aufgabe wohl den Derivaten zu – sie bereichern das Instrumentarium der Portfoliomanager. MARKT & STRATEGIE Derivate 80 fondsprofessionell.at 4/2022 FOTO: © COCO | STOCK.ADOBE.COM
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