FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022
ter und Finanzvermittler klagen aber nach wie vor über den hohen bürokratischen Aufwand und vor allemüber das Taping. Ist das ein deutsches Problem? Die Aufzeichnung telefonisch oder elektro- nisch geführter Beratungsgespräche stellt in der Tat in anderen Ländern kein so großes Problem dar. Deutschland ist mit seinen Bedenken hinsichtlich dieser Bestimmung tatsächlich etwas speziell.Wir denken aber, dass das Taping weiterhin eine sehr wichti- ge Regelung ist. Das klingt so, als dürften Berater nicht darauf hoffen, dass das Taping vielleicht doch wieder abgeschafft wird. Es wäre die Sache des europäischen Gesetz- gebers, Änderungsvorschläge in dieser Richtung zu machen. Das Taping ist aus meiner Perspektive aber durchaus sinnvoll. Schließlich hilft es dabei, festzustellen, wo- rüber in einem Beratungstermin tatsäch- lich gesprochen wurde, falls es später zu rechtlichen Auseinandersetzungen kom- men sollte. Es hilft auch den nationalen Aufsichtsbehörden, weil sie Beratungsge- spräche stichprobenartig nachvollziehen können. Die Aufzeichnungspflicht hat also eine bestimmte Funktion, und diese scheint sie zu erfüllen. Ihr Vorgänger Steven Maijoor hat kein Hehl daraus gemacht, dass er von Provisionen in der Finanzberatung nichts hält. 2020 sagte er in einem Interview mit FONDS professionell, die ESMA habe der EU- Kommission empfohlen, zu diesemThema eine detaillierte Studie zu erstellen. Gibt es inzwischen Ergebnisse? Die Kommission hat in der Tat eine Studie erstellt. Die Ergebnisse zeigen, dass es nicht damit getan ist, Provisionen offenzulegen, um mehr Transparenz zu schaffen. Denn die Informationen zu den Provisionen sind komplex und daher für Anleger schwer zu verstehen. Wenn wir die Offenlegungs- pflichten weiter ausdehnen würden, würde dies die Angelegenheit noch weiter ver- komplizieren. Und in der Praxis würde es auch nichts daran ändern, dass Anleger weiterhin am Ende häufig in Finanzpro- dukte investieren, die mit Provisionen belastet sind. Gibt es weitere Ergebnisse? Ja, die Studie hat auch gezeigt, dass Produk- te in Ländern, in denen es ein Provisions- verbot gibt, für Kleinanleger günstiger sind. Das führt zu höheren Renditen, auch wenn natürlich ein Beratungshonorar be- zahlt werden muss. Daher ist es wichtig, dass wir uns das Thema Provisionen noch einmal gründlich anschauen. Sie sprechen aber nicht von einem gene- rellen Provisionsverbot, oder doch? Ich denke, in einigen Ländern hat sich durchaus gezeigt, dass ein Provisionsverbot funktionieren kann. Man muss aber be- denken, dass wir in den EU-Mitgliedsstaa- ten zum Teil sehr unterschiedliche Bera- tungsmärkte haben. In den Niederlanden zum Beispiel wird Altersvorsorge ganz anders betrieben als in Deutschland oder in Österreich. Daher kann man ein gene- relles Provisionsverbot nicht mit einem Schnellschuss über Nacht einführen. Wir sollten aber auch nicht leugnen, dass die Funktionsweise des Beratungsmarktes in einigen Ländern ein Problem darstellt.Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob dort die richtigen Ergebnisse für die An- leger erzielt werden, und die Frage nach einemmöglichen generellen Provisionsver- bot weiterhin diskutieren. Seit dem 2. August müssen Anlageberater bei Banken und Vermögensverwaltern die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erheben. Ist dies ein vernünftiges Projekt, das tatsächlich zu mehr Nachhaltigkeit führen wird und Greenwashing verhindern kann? » Ein generelles Provisionsverbot kann man nicht mit einem Schnellschuss über Nacht einführen. « Verena Ross, ESMA FOTO: © FRANCOIS DABURON STEUER & RECHT Verena Ross | ESMA 266 fondsprofessionell.at 4/2022
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