FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022
variabel verzinst ist, stimmt die Aufseher überdies vorsichtig. Es handelt sich um fast 50 Prozent des ausstehenden Volumens und gut 40 Prozent der Neuvergaben. Stei- gen die Zinsen, können Schuldner mit va- riablen Verträgen rasch in Rückzahlungs- schwierigkeiten geraten. Diese Sorge wiegt umso schwerer, da die Kreditvergabestan- dards im Land zuletzt relativ lax gehand- habt wurden: Um das immer teurere Eigen- tum finanzierbar zu machen, verlangten die Banken oft einen sehr geringen Eigen- mittelanteil oder finanzierten Beträge, die das Einkommen schwer belasteten (siehe Grafik rechts unten). Teils wurden Laufzei- ten bis weit in die Pension hinein gestreckt. Heuer zog die Finanzmarktaufsicht (FMA) mit einer Verordnung die Bremse. Seit August gelten verpflichtend jene Schwellenwerte, die das Finanzmarktstabi- litätsgremium (FMSG) eigentlich schon 2018 unverbindlich ausgegeben hat: min- destens 20 Prozent Eigenmittel, eine Schul- dendienstquote von maximal 40 Prozent des Einkommens und eine Laufzeit nicht länger als 35 Jahre (siehe nächste Seite). Die Folge: Viele potenzielle Immobilien- käufer mussten ihre Pläne abrupt begra- ben. Von Juli auf August brach das neu ver- gebene Immobilienkreditvolumen für pri- vate Wohnbauzwecke um 52 Prozent ein. Zum August 2021 sackte das Volumen um mehr als ein Drittel ab, und das obwohl die Immobilienpreise wie erwähnt seither stark gestiegen sind. Der Abwärtstrend ver- festigte sich im September, wo das Volu- men zum Vorjahr erneut um gut 29 Pro- zent sank. In den ersten drei Quartalen 2022 liegt die neu vergebene Summe nur noch minimal vor demWert von 2021. Da nicht mit einer grundlegenden Änderung der wirtschaftlichen und regulatorischen Umstände zu rechnen ist, dürfte am Jahres- ende ein dickes Minus stehen. Es wäre der erste Rückgang seit vielen Jahren. In der OeNB-Statistik, die online bis 2009 zurück- reicht, gab es bisher nur einmal, nämlich von 2015 auf 2016, ein (sehr kleines) Mi- nus beim Vergabevolumen an Private. In einer Onlineumfrage von FONDS professionell im November gehen 70 Pro- zent der teilnehmenden Kreditvermittler davon aus, dass der Abschwung 2023 an- hält. Infina-Chef Kirchmair teilt diese Erwartung: Seiner Beobachtung nach habe jeder Vierte seine Kaufentscheidung zu- rückgestellt. Bei weiteren rund 25 Prozent bestehe ein deutlich erhöhter Beratungs- bedarf, um einen Kredit zu erlangen. Ein „temporärer Rückgang“ von 25 bis 50 Pro- zent des Kreditgeschäfts sei möglich, so Kirchmair. Lockerung? – EU schaut zu Mittlerweile ist die Causa auf den politi- schen Tagesplan gerückt. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) forderte von der FMA imOktober eine Lockerung der Auf- lagen. Wie die Recherche zeigt, sind jedoch die Chancen auf eine umfassende Ent- schärfung gering. Hinter der Verordnung steht nämlich die Unzufriedenheit der europäischen Aufseher mit der laxen Ein- haltung der Kreditvergabestandards. „Es gab starke Signale aus Frankfurt, dass etwas unternommen werden muss. Sonst wäre eine Warnung des EU-Systemrisikorats ESRB gekommen“, sagt FMSG-Vorsitzender Alfred Lejsek. Dennoch werde das Thema Teurer und immer teurer So stark sind die Preise für Wohneigentum gestiegen. In den vergangenen zehn Jahren mussten sich Immobilienkäufer mit hohen Preissteigerungen abfinden. Heuer gab es noch einmal einen Schub. Quelle:OeNB 0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % 12 % 14 % 16 % Q2 2022 Q1 2022 2021 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 Jährliche Steigerung der Immobilienpreise in Österreich 12,4 % 13,1 % 3,5 % Kreditregeln oft missachtet Banken waren bei der Kreditvergabe zu locker. Die Hälfte hat Eigenmittel unter 20%, Rückzahlung bei jedem Sechsten über 40% des Gehalts, Laufzeit bei 5% über 35 Jahre. Quelle:OeNB,Neuvergaben imJahr2021 0% 20% 40% 60% 80% 100% Laufzeit Schuldendienst- quote Eigenmittel nicht nachhaltig nachhaltig nicht zuordenbar 50 % 43 % 7 % 16 % 81 % 3 % 5 % 89 % 6 % » Es gab starke Signale, dass etwas unter- nommen werden muss. Sonst wäre eine ESRB- Warnung gekommen. « Alfred Lejsek, FMSG fondsprofessionell.at 4/2022 259
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