FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022

Tröpfelnder Nachschub Der Nettomittelabsatz der Fondsbranche drehte ins Negative. Doch ziehen Anleger tatsächlich viel Geld ab oder warten sie einfach an der Seitenlinie? Ein Blick auf den Bruttoabsatz klärt das auf. D ie Unruhe auf dem Börsenparkett hinterlässt deutliche Spuren im Fondsgeschäft. Nach Jahren des Booms brach der Absatz erstmals deutlich ein. Anleger zogen seit Jahresbeginn per Ende August unterm Strich rund 200 Milliarden Euro aus Publikumsfonds ab, meldete der Branchenverband EFAMA. Im entspre- chenden Vorjahreszeitraum flossen noch fast 600 Milliarden Euro in UCITS-Vehikel. Doch wie dramatisch ist die Lage tatsäch- lich? Ziehen angesichts des Ukraine-Kon- flikts und galoppierender Teuerungsraten Anleger massiv Mittel ab? Oder halten Investoren vielmehr ihr Pulver trocken und warten mit Neuinvestments ab? Antworten auf diese Fragen lassen sich nicht allein aus dem Nettoabsatz ableiten. „Die Branche schaut meist auf die Netto- mittelflüsse“, sagt Chris Chancellor, Ge- schäftsbereichsleiter beim Analysehaus Broadridge. „Der Blick auf den Brutto- absatz und die Rücknahmen offenbart jedoch ein umfassenderes Bild.“Und dieses zeigt recht eindeutig, dass seit dem Früh- jahr die Zuflüsse in Fonds abebben. Dem- gegenüber bleiben die Anteilsrückgaben weitgehend auf normalem Niveau. Dies zeigen die Absatzdaten des Analysehauses Broadridge, die FONDS professionell exklusiv vorliegen (siehe auch Grafik fol- gende Seite). „Im Frühjahr 2020 war eine Panik zu spüren – davon ist derzeit nichts zu bemer- ken“, kommentiert Chancellor die Ergeb- nisse. „Die Anleger halten sich zurück. Sie stecken kein neues Geld in Fonds, sie ziehen es aber auch nicht ab.“So brach der monatliche Bruttoabsatz von mehr als 50 Milliarden Euro zu Jahresbeginn auf zuletzt fast 30 Milliarden Euro ein. „Damit erreichten sie den niedrigsten Stand seit drei Jahren“, hält der Marktkenner fest. Die Rückflüsse rangierten hingegen weiterhin in der Bandbreite von 50 bis 60 Milliarden Euro – abgesehen von einer Spitze an Rückgaben im März 2022 in Höhe von fast 70 Milliarden Euro. In die Sommer- monate hinein ebbten die Anteilsrück- gaben vielmehr sogar auf unter 40 Mil- liarden Euro ab. Dies folge aber einem üblichen saisonalen Muster, schränkt Chan- cellor ein. Erstmals im Minus Ganz anders sah es im März 2020 aus. Mit der Ausbreitung der Corona-Pandemie waren die Rücknahmen auf über 100 Mil- liarden Euro hochgeschnellt. Zwar blieben die Bruttozuflüsse weitgehend stabil, aber der Abverkauf an Fondsanteilen bescherte der Branche Nettomittelabzüge in Höhe von 60 Milliarden Euro. Allerdings beru- higte sich die Lage recht rasch wieder. Das Analysehaus Broadridge stützt seine Unter- suchung auf die Absatzdaten von rund 100 Fondsanbietern, meist mit Sitz in Luxem- burg und Dublin. Die Daten zeigen » Zum ersten Mal seit März 2020 drehte der Nettoabsatz langfristiger UCITS ins Negative. « Thomas Tilley, EFAMA Wenn der Zufluss versiegt, füllt sich das Bad nicht mehr. Wenn zugleich aber noch der Stöpsel aus dem Abfluss gezogen wird, läuft die Wanne leer. Beim Fondsmarkt verhält sich das ganz ähnlich. VERTRIEB & PRAXIS Mittelaufkommen 218 fondsprofessionell.at 4/2022 FOTO: © TOBIAS | STOCK.ADOBE.COM

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