FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022
und Pakistan dürften weiterhin ein hohes Bevölkerungswachstum verzeichnen. Tatsächlich behaupteten sich zahlreiche Börsen auch in diesem Jahr recht gut. Zu den Aufsteigern zählt etwa Indonesien.Die Börse in der Hauptstadt Jakarta konnte ein Plus von bis zu 15 Prozent verzeichnen, bevor sie zuletzt wieder nachgab. Die nach Kaufkraftparitäten siebtgrößte Volkswirt- schaft profitiert als wichtiger Rohstoffliefe- rant von den gestiegenen Preisen für viele Grundstoffe. So ist das Land einer der welt- weit führenden Exporteure von Kohle und Erdgas und verfügt über enorme Kupfer-, Nickel- und Zinnvorkommen. Ein wichti- ger Faktor ist auch die günstige Demo- grafie: Das Durchschnittsalter der rund 270 Millionen Indonesier liegt nach UN-Anga- ben unter 30 Jahren. Ebenfalls gut behauptet hat sich Latein- amerika mit seinem großen Rohstoffreich- tum: Quer über den Kontinent betrachtet konnte die Börse sogar leichte Zuwächse verbuchen, wobei Brasilien trotz politischer und wirtschaftlicher Probleme mit einem Kursplus von fast sechs Prozent besonders gut abschnitt. Auch Indien gilt trotz Kurs- verlusten von rund zehn Pro- zent in den vergangenen zwölf Monaten als langfristig aus- sichtsreicher Börsenkandidat. Das starke Wirtschaftswachs- tum und Exporterfolge gerade im IT-Sektor sprechen für den Subkontinent. Neue Realität An ein Comeback der Schwellenländer glaubt Michael Heise, Chefvolkswirt beim Multi-Family-Office HQ Trust. Den Grund dafür sieht er in den „verhältnismäßig günsti- gen Bewertungen und über- durchschnittlichen wirtschaftli- chen Wachstumsperspektiven“. Alternativen, die langfristig ho- he Renditen versprechen und groß genug wären, um Schwellenländer zu ersetzen, seien nicht in Sicht. Das bislang gängige Rezept, Emerging Markets über einen globalen und oft benchmarknahen Ansatz abzubilden, dürf- te aber auch seiner Meinung nach an Be- deutung verlieren. Zu unterschiedlich seien die einzelnen Länder mit Blick auf Wirt- schaft, Politik und Ressourcen. Heise glaubt, dass Anleger künftig mehr als in früheren Erholungsphasen zwischen ein- zelnen Ländern unterscheiden werden: „Investoren werden geopolitische Faktoren stärker in den Blick nehmen und die Qua- lität der ‚Governance‘ sowie stabile Rah- menbedingungen stärker gewichten.“ Auch bei Finanzberatern überwiegt trotz der unterm Strich enttäuschenden Perfor- mance der Optimismus. Das zeigt etwa eine Umfrage auf FONDS professionell ONLINE, an der sich im Oktober und November gut 250 Anlageberater, Vermö- gensverwalter und andere Finanzprofis be- teiligten. Fast 40 Prozent der Teilnehmer meinen, Emerging Markets gehören „heute mehr denn je“ ins Depot, und 42 Prozent halten ihnen zumindest als Beimischung die Treue.Dagegen haben nur 11,5 Prozent die Quote in den Kundenportfolios deut- lich reduziert oder meiden die Anlageregi- on generell (siehe Grafik). Der frühere US-Staatssekre- tär James Glassman schrieb zu- letzt im amerikanischen Bör- sendienst „Kiplinger“: „Es wäre töricht, Schwellenländer zu ignorieren – und das gerade jetzt.“Auch dieser Börsenexper- te liegt nicht immer richtig, mit seiner Aussage dürfte er je- doch insoweit recht behalten, als wohl auch in Zukunft kein Weg ganz an den Schwellen- ländern vorbeiführt. Wer aber erfolgreich in den aufstreben- den Märkten anlegen möchte, muss wohl zunehmend situativ und selektiv auf ausgewählte Länder setzen oder sich für globale, aber weitgehend flexi- ble aktive Ansätze entscheiden. JOCHEN HÄGELE FP » Viele der Belastungs- faktoren dürften bestehen bleiben. « Adriaan du Toit, Alliance Bernstein Kaum Fundamentalopposition Was Finanzberater von Schwellenländerinvestments halten Die meisten Leser von FONDS professionell halten den Schwellenländern die Treue, auch wenn ihre Performance zuletzt einmal mehr enttäuschte. Quelle:UmfrageaufFONDSprofessionellONLINEvom24.10.bis 8.11.2022;252Teilnehmer Emerging Markets sind viel- versprechend, sollten aber eine Beimischung bleiben. Schwellenländer gehören in jedes langfristig ausgerichtete Portfolio – heute mehr denn je. Die Schwellenländer enttäuschen, ich habe ihre Quote in den Kunden- depots deutlich reduziert. Die Allokation überlasse ich den Managern der Fonds, die ich meinen Kunden empfehle. Finger weg von den Schwellen- ländern – an den etablierten Bör- sen gibt es genügend gute Titel! 42,1 % 39,7 % 7,1 % 6,7 % 4,4 % MARKT & STRATEGIE Schwellenländer 106 fondsprofessionell.at 4/2022 FOTO: © ALLIANCE BERNSTEIN
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