FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2022

der Tabelle auf Seite 228. Die Erhebung ist zwar nicht repräsentativ, verdeutlicht aber, dass es in der Branche ganz unterschiedlich ausgereifte Modelle gibt, wenn es um eine Kopplung der Bezüge an ESG-Ziele geht. Kriterium für das FNG-Siegel Zu einem ähnlichen Schluss kommt, wer sich mit Simone Wagner unterhält. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg gehört zu dem Team, das die unabhängigen Prüfungen für das FNG-Siegel vornimmt,mit dem nachhalti- ge Fonds ausgezeichnet werden. „Ein Krite- rium, anhand dessen wir die institutionelle Glaubwürdigkeit der Bewerber für das FNG-Siegel bewerten, ist die Vergütungs- struktur im Zusammenhang mit Nachhal- tigkeit“, sagt Wagner. „Die Asset Manager sollen aufzeigen, inwiefern Gehälter und Boni in ihren Unternehmen an die Nach- haltigkeitsleistung gekoppelt sind.“ Der Tenor nach Hunderten solcher Prüf- und Bewertungsprozesse, die sie und ihre Kollegen begleitet haben: „Das Thema steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt Wagner. „Nur wenige Asset Manager haben sich bereits intensiv damit beschäf- tigt oder entsprechende Programme in ihrem Haus umgesetzt. Es zeichnet sich aber ab, dass die Verbreitung solcher Ver- gütungsmodelle zunimmt.“ Über konkrete Namen darf Wagner nicht sprechen – die Inhalte der Prüfungen für das FNG-Siegel bleiben vertraulich. Einige generelle Beobachtungen kann sie jedoch öffentlich machen. Demzufolge ha- ben sie und ihre Kollegen vier verschiedene Kategorien ausgemacht, die für die Incenti- vierung eine Rolle spielen. Da sind erstens Kennzahlen, die für das Asset Management typisch sind. „Ein Beispiel ist der Sales-Mit- arbeiter, der belohnt wird, wenn das in ESG-Strategien verwaltete Vermögen zu- nimmt“, sagt Wagner. „Häufiger honoriert wird auch die Entwicklung neuer Nachhal- tigkeitsfonds oder die Integration von ESG- Kriterien in den Investmentprozess.“ Bienenstock auf dem Dach Die zweite Rubrik sind Performance- kennziffern. „Eine Möglichkeit ist, die Ver- besserung des ESG-Ratings eines Produkts zu messen. Es kommt aber auch vor, dass ein Teil der Vergütung an der Zahl der Engagements hängt, die ein Fondsmanager mit Unternehmen aus seinem Portfolio durchführt – da spielt dann oft nur die Quantität eine Rolle, nicht die Qualität.“ In diese Schublade passen Wagner zufolge auch Anreizsysteme, die sich an der Zahl der Schulungen oder Webinaren zu Nach- haltigkeitsthemen orientieren, die ein Ver- triebsmitarbeiter angeboten hat. In die dritte Kategorie fallen Themen aus dem Bereich Corporate Social Respon- sibility. „Belohnt werden beispielsweise Spenden an karitative Organisationen oder Einsparungen beim Papier- oder Energie- verbrauch“, berichtet Wagner. Als vierte Rubrik nennt die Wissenschaftlerin Model- le, die auf das persönliche Verhalten der Mitarbeiter zielen. „Honoriert wird bei- spielsweise, wenn ein Portfoliomanager bei Dienstreisen auf das Flugzeug verzichtet und stattdessen mit der Bahn fährt.“ Mit- unter kommen ihr auch Einzelfälle unter, die auf den ersten Blick vielleicht skurril anmuten, auf den zweiten Blick aber ange- nehm handfest sind, etwa wenn ein Mitar- beiter für die Errichtung von Hochbeeten oder eines Bienenstocks auf der Dachter- rasse des Bürogebäudes belohnt wird. Dass sich immer mehr Asset Manager mit solchen Entgeltmodellen beschäftigen, liegt nicht nur am ESG-Trend in der Bran- che, sondern hat auch regulatorische Grün- de. Laut EU-Offenlegungsverordnung müs- sen die Fondsanbieter auf ihrer Internetsei- te erläutern, inwiefern ihre „Vergütungspo- litik (…) mit der Einbeziehung von Nach- haltigkeitsrisiken im Einklang steht“, wie es in Artikel 5 des Regelwerks heißt. „Es ist zwar bedauerlich, dass die Verordnung in diesem Punkt keine inhaltlichen Vorgaben macht“, meint Wagner, „aber immerhin verpflichtet sie die Anbieter dazu, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.“ Finanzbranche hintendran Weitet man den Blick über die Fonds- branche hinaus, wird schnell klar, wie ver- breitet entsprechende Modelle schon sind. Bei den Dax-Konzernen sahen im vergange- nen Jahr 87 Prozent der Vorstandsverträge für die einjährige Vergütung eine Kopp- lung an explizite ESG-Ziele vor, zeigt eine HKP-Auswertung. Bei der mehrjährigen Vergütung betrug die Quote 63 Prozent. Für die deutsche Bankenbranche liege sie eher bei 50 Prozent, schätzt Knab-Häge- les Kollegin Isabel Jahn, die unter anderem Kreditinstitute berät. Ähnliches dürfte für die Asset Manager gelten – belastbare Zah- len für die Branche hat HKP jedoch nicht. „Klar ist aber: Auch bei Fondsanbietern werden sich Vergütungsmodelle durch- setzen, die eine Kopplung an ESG-Ziele » Vergütung allein treibt keine Verände- rungsprozesse. Aber sie unterstützt die Entwicklung. « Petra Knab-Hägele, HKP fondsprofessionell.at 2/2022 225 FOTO: © ALEXANDRA LECHNER | HKP

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