FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2022
fehlt dann das Geld“, sagt Larissa Kravitz. Die Finanzmarktexpertin hat als „Investo- rella“ eine Vermögensberatungs- und Infor- mationsplattform aufgebaut. Ihr Marken- zeichen: mit viel Humor die ernste Sache erklären. Frauen seien „ultimative Hard- core-Spekulantinnen“, wenn sie sich ange- sichts einer Scheidungsquote von 40 Pro- zent bei der Altersvorsorge auf den Haupt- versorger zu verlassen, meint Kravitz etwa in einem ihrer Blog-Einträge. Investieren sei da deutlich weniger riskant. Wie hoch der Bedarf nach spezifischen Inhalten ist, habe sie selbst unterschätzt, sagt Kravitz. Gleich das erste Seminar vor rund vier Jahren sei sofort ausgebucht ge- wesen. Honorarberatung, Workshops und ein Buch zum Thema hätten für sehr intensive Jahre gesorgt. Die Nachfrage sei wohl auch hoch, weil größere Finanzver- triebe wie Banken erst beginnen, sich da- rauf einlassen.Dazu gehöre, dass Anlegerin- nen oft mit weniger Wissen einsteigen.Der Grund: Sie reden aufgrund von Rollenzu- schreibungen von jung auf weniger über Geld. Eine Beratung, die mit zu vielen Fach- begriffen aufwartet, wirke da abschreckend. Aber: Sobald Anlegerinnen mit der The- matik vertraut sind, wollen sie genauso ver- anlagen wie Männer, betont Kravitz. Dass der Bankvertrieb tatsächlich einen blinden Fleck hat, bestätigt die Recherche. Bei kaum einem Institut können Berater Seminare buchen, wo Be- dürfnisse weiblicher Zielgruppen vermittelt werden. „Interessant“, heißt es bei Raiffeisen, aber es gebe kein Angebot. Man müsse jeden in seiner Lebenssituation abholen, sagen die Volksbanken. Und ein Bawag-Manager argu- mentierte bei der Präsentation einer Studie über Frauen und Finanzen, der Pensionsgap treffe Männer ja auch. Eine Ausnahme ist offenbar derzeit die Erste Bank. Dort wer- den gerade niederschwellige Fort- bildungsangebote für die Finanzberatung von Frauen vorbereitet, beispielsweise Kurz- videos.Weitere vertiefte Angebote seien das Ziel sagte eine Diversity-Expertin der Erste Bank. Es nutze schließlich nichts, wenn man Frauen sensibilisiert und die Berater in der Filiale seien dann nicht in der glei- chen Weise reflektiert. Auch hier hört man von vielen Anmeldungen bei spezifischen Angeboten. Der Zulauf auf Finanzbil- dungsformate für Frauen sei signifikant. „Kein Sozialprojekt“ Man müsse bedenken, dass 50 Prozent der Kunden weiblich sind. „Das ist kein So- zialprojekt, sondern ein Business Case“, so die Erste-Bank-Expertin. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass Frauen ihr Geld tendenziell lieber am Spar- buch liegen haben – es besteht also Spiel- raum für die Kapitalmarktproduktbera- tung. Apropos: Erste Bank und Sparkassen bieten in der Wertpapiervermittlung ge- trennte Schulungen für Frauen an. Das senke die Hemmschwelle, sich einzubrin- gen und sorge dafür, dass sich Frauen in der Wertpapierberatung sicherer fühlen. Man hoffe, dass andere Institute beim Schulungsangebot nachziehen. „Es kann sich nur etwas ändern,wenn alle mithelfen. Das Thema hat ja auch eine sozialökono- mische Komponente“, heißt es. Eine Initiative kann man im Versiche- rungsbereich sehen: Die Wiener Städtische setzt heuer einen Frauenschwerpunkt, zu dem ein Vertriebswebinar gehört. Vor- standsdirektorin Sonja Steßl bestätigt die Nachfrage: „Das Interesse war mit mehr als 1.000 Teilnehmern sehr groß.“ Es sind übrigens nicht nur Frauen, die das Thema neu denken. „Es hat mich im- mer gestört, dass dieser Markt vorwiegend von älteren Männern bearbeitet wird“, sagt etwa Gün- ther Goldenhuber. Seine Ver- mögensberatung bekam unlängst für die Lehrlingsausbil- dung das E-QualitA-Chan- cengleichheitssiegel des Wirt- schaftsministeriums. Lehrling Emina Music, die für das Siegel ein hohes Fortbildungsniveau vorlegte, betont, dass die Aufklä- rung über Teilzeit oder Karenz- zeit in ihrem Beratungsalltag fest verankert sei. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Frauen fallen in der Wahrnehmung der Berater oft durch. « Larissa Kravitz, Investorella Der große Unterschied Frauen vs. Männer Gesetzliche Alterspension: Frauen 1.219 Euro Männer: 2.104 Euro * Stundenlohn Frauen vs. Männer: –18,9 % Teilzeitfalle: Nur 6,9 % der Männer im Alter von 25 bis 49 Jahren arbeiten in Teilzeit, aber 72,8 % der Frauen im selben Alter. Motherhood Pay Gap: Noch zehn Jahre nach der Karenz verdient eine Frau nur 67 % des Einkommens einer Frau, die durchgehend gearbeitet hat. Mehr Teilzeit und weniger Einkommen führen im Alter zu einer massiv geringeren Pension . *2020,brutto,Durchschnitt |Quelle:StatistikAustria,AgendaAustria VERTRIEB & PRAXIS Finanzberatung für Frauen 206 fondsprofessionell.at 1/2022 FOTO: © AVI KRAVITZ
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