FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021
und im Austausch mit den Unternehmen stehen. Nur dadurch können wir ein eigenes Bild von entsprechend attraktiven Small oder Mid Caps gewinnen. Anderer- seits führt ein schlechtes Rating nicht auto- matisch zum Ausschluss einer Gesellschaft. Heuser: Wie meinen Sie das? Born: Ein gutes Beispiel ist etwa das däni- sche Medizintechnikunternehmen Chemo- metec. Das Unternehmen hatte bei den gängigen Datenprovidern ein schlechtes Scoring erhalten mit der Begründung, es produziere giftige Abfälle.Wir haben nach- gefragt und erfahren, dass das gar nicht der Fall ist. Die Gesellschaft hatte es lediglich versäumt, ein entsprechendes Reporting abzuliefern und dafür prompt eine schlech- te Bewertung kassiert. Ein ähnlich gelager- ter Fall ist die italienische Gesellschaft Carel.Das ist ein gut gemanagter Hersteller von Komponenten für Kühlanlagen sowie Heiz- und Lüftungssystemen, die energie- effizienter arbeiten als andere. Auch Carel hatte aufgrund von fehlenden ESG-Repor- tings ein schlechtes Scoring erhalten und wurde damit im Grunde dafür bestraft, dass das Unternehmen keine eigene Nach- haltigkeitsabteilung vorhalten kann. Claus: Wiemussman sich die ESG-Integra- tion in den Anlageprozess vorstellen? Born: Grob gesagt als dreistufigen Prozess. Über unsere Ausschlusskriterien habe ich bereits gesprochen, das ist sozusagen die erste Stufe. Im zweiten Schritt arbeiten wir mit Informationen von MSCI ESG zu ESG-Kontroversen, die in einer Art Ampel- oder, besser gesagt, Flaggensystem in unsere Portfoliomanagementsysteme einfließen. Grün und Gelb bedeuten, dass ein Unter- nehmen grundsätzlich für uns investierbar ist. Orange zeigt an, dass wir in einen Dialog mit dem Unternehmen treten soll- ten, um zu verstehen, an welcher Stelle es ein Problem gibt und ob eine Verbes- serung zu erwarten ist. Eine rote Flagge signalisiert, dass es bei dem jeweiligen Unternehmen besonders schwerwiegende Kontroversen oder andere unter ESG- Gesichtspunkten negative Aspekte gibt, aufgrund derer von einem Investment abzuraten ist. Der dritte und aus meiner Sicht wichtigste Schritt in diesem Prozess betrifft unsere eigene qualitative Analyse, begleitet vom direkten Dialog mit dem Unternehmen. Claus: Planen Sie denn, Ihr ESG-Office noch weiter auszubauen? Born: Auf jeden Fall, denn die Arbeit dort wird nicht weniger werden, im Gegenteil: Auch künftig wird die schon heute um- fangreiche Regulierung nicht ab-, sondern vielmehr noch weiter zunehmen. Ganz zu schweigen von der Weiterentwicklung unseres ESG-Ansatzes sowie einer geplan- ten Erhöhung unseres Eigenanteils an unseren Analysen. Schon jetzt setzt sich auch jeder unserer Fondsmanager intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit ausein- ander. Zumal nicht nur die genannten Aspekte dazu führen werden, dass die Reporting-Erfordernisse noch erheblich ansteigen werden. Heuser: Inwiefern? Born: Auch die Berichterstattung an Orga- nisationen wie etwa die UN PRI wird vom Umfang her weiter wachsen. Wir planen zudem, uns beim Forum Nachhaltige Geldanlagen für weitere Fonds um ein ent- sprechendes Siegel zu bewerben, das wir für einen unserer Sustainable-Fonds bereits erhalten haben. Ganz zu schweigen von verstärkten Nachfragen seitens unserer Kunden, die zum Teil sehr genau wissen wollen, wie wir unseren ESG-Ansatz in die Praxis umsetzen. Und im Bereich der insti- tutionellen Investoren gibt es mittlerweile bereits spezielle ESG-RFPs.Die Abkürzung RFP steht für den englischen Begriff Request for Proposal, der im Grunde das Ausschreibungswesen beschreibt, wie es im Bereich der Großanleger üblich ist. » Auch künftig wird die schon heute umfang- reiche Regulierung nicht ab-, sondern vielmehr noch weiter zunehmen. « Matthias Born, Berenberg Hans Heuser, FONDS professionell : „Ist es so, dass man heute am The- ma Nachhaltigkeit nicht mehr vorbeikommt?“ fondsprofessionell.at 3/2021 89 NACHHALTIG NACHGEFRAGT
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