FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021
den ist. So wünschenswert vieles ist, was unter der Abkürzung ESG subsumiert wird, so unausgegoren sind die Dinge zum Teil noch, ganz zu schweigen von wirkli- chen Standards, die nach wie vor fehlen. Das beste Beispiel ist das Thema Atom- kraft. Während ein Franzose es als eine gute Möglichkeit betrachtet, den CO 2 - Ausstoß insgesamt zu reduzieren, gilt die Nuklearenergie in Deutschland als Teufels- zeug. Und für ein Investment in den Öl- sektor muss man sich als Fondsmanager unter dem ESG-Aspekt rechtfertigen. Wir halten dennoch an unserer Position in BP fest, weil es das Unternehmen mit dem stärksten Zug hin zu erneuerbaren Ener- gien ist. Glow: Mussman daraus schließen, dass Ihr Fonds nicht nach Artikel 8 der Offenle- gungsverordnung zertifiziert wird? Bruns: Das wäre angesichts der Bedeutung, die das ESG-Thema gewonnen hat, gerade- zu suizidal. Auch wir werden unsere Fonds nach Artikel 8 klassifizieren lassen und haben die entsprechenden MSCI-Ratings in unser Portfoliomanagementsystem inte- griert. Ich sage aber auch: Wer seinen Fonds schon immer unter dem Gesichts- punkt einer guten Unternehmensführung gemanagt hat, wird kein Problem haben, die geforderten Voraussetzungen zu erfül- len – weil er Aspekte wie ein umweltschäd- liches Verhalten, soziale Probleme, Kinder- arbeit oder Diskriminierung immer schon als einen Risikofaktor für ein Unterneh- men wahrgenommen hat, ganz unabhän- gig davon, welche Note dieses von einer Ratingagentur erhält. Glow: Häufiger vorgeworfen wird Ihnen, Sie seien viel zu gering in Technologiewerten investiert. Akzeptieren Sie die Kritik? Bruns: Bis zu einem gewissen Grad schon. Wenn man unter Technologie in erster Linie die allgegenwärtigen FAANG-Aktien versteht, dann sind wir wie gesagt durchaus bewusst nicht darin investiert. Aber wir haben vor Kurzem auf deutlich gedrück- tem Kursniveau einen Wert wie Team- viewer gekauft. Das ist ja sozusagen die deutsche Wachstumsgeschichte im Tech- nologiesektor par excellence, das Unterneh- men hat im Grunde nur deshalb eins auf die Mütze bekommen, weil es der Werbe- partner von Manchester United geworden ist. Ansonsten muss ich sagen, dass ich froh bin, so manche vermeintliche Wachstums- story gemieden zu haben. Heuser: Sprechen Sie davon, dass dieWerte und Sektoren, mit denen andere Fondsma- nager eine wesentlich höhere Performance erzielt haben, zumTeil bereits eine ziemlich hohe Bewertung erreicht haben? Bruns: Zum einen das, zum anderen sagen sich doch inzwischen viele Marktteilneh- mer zu Recht, dass es aufgrund des schein- bar nicht mehr aufzuhaltenden Zugs in Indexfonds und die ETF-Welt im Grunde gar keinen Sinn mehr hat zu versuchen, einen Index wie den MSCI World zu schla- gen. Da fließen jeden Tag riesige Mengen Geld in die immer gleichen Titel, insbe- sondere eine Handvoll der fünf größten Werte weltweit, ohne dass die Bewertung noch eine Rolle spielen würde. Da ist es kein Wunder, dass viele durchaus attraktive und solide Unternehmen gewissermaßen auf der Strecke bleiben und vernachlässigt werden. Heuser: Was ist Ihre Befürchtung? Bruns: Dass es einerseits eventuell zu enor- men Fehlbewertungen kommen könnte, die vom Markt lange Zeit nicht erkannt oder eben einfach ignoriert werden. Oder dass es unter Umständen auch einmal zu staatlichen Eingriffen kommen könnte, die den vermeintlich nicht aufzuhaltenden Sie- geszug von Unternehmen jäh stoppen würden. Chinesische Unternehmen wie Tencent oder Alibaba können ein Lied davon singen, was in anderen Teilen der » Wir halten an BP fest, weil es das Unterneh- men mit dem stärksten Zug hin zu erneuerbaren Energien ist. « Christoph Bruns, Loys MARKT & STRATEGIE Fondsmanager in Kreuzverhör | Christoph Bruns | Loys 58 fondsprofessionell.at 3/2021 KREUZ VERHÖR FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH | 2015
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