FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021

D ie hohe Dichte an Unwetterkatastrophen im Sommer 2021 dürfte auch für die Invest- mentwelt Konsequenzen haben, denn sie hat den Druck auf die Politik erhöht,Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass der Zug in Richtung „nach- haltige“ Investments noch einmal deutlich Fahrt aufnimmt. Für Anleger und Berater, die die Ent- wicklung bisher nur vom Bahnsteig aus beobach- tet haben, wird es langsam Zeit, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Dafür gibt es drei Gründe. Der naheliegende besteht darin, dass die Ziele der ESG-Anlage grundsätzlich positiv zu beurteilen sind und eine Unterstützung verdienen – niemand kann ernsthaft gegen mehr Chancengleich- heit und Umweltschutz sein. Ob die ESG-Ziele mithilfe der heuti- gen Herangehensweise erreichbar sind, wird sich jedoch erst noch zeigen müssen – dass man die Umwelt rettet, die Welt zu einem gerechteren Ort macht und dabei auch noch Geld verdient, klingt fast zu verlockend. Der zweite Punkt, der eine Beschäftigung mit dem Thema erzwingt, ist die Regulierung. Es besteht der klare politische Wille, Anlegerkapital in Richtung „nachhaltiger Invest- ments“zu lenken. Um das zu erreichen, wird man die entsprechen- den gesetzlichen Vorgaben in den kommenden Jahren voraussicht- lich laufend verschärfen, zuerst für Anbieter und große Marktteil- nehmer, in weiterer Folge aber auch für Beratung und Vertrieb.Der dritte Grund für eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem Thema besteht in der Erkenntnis, dass am Kapitalmarkt nicht ent- scheidend ist, was tatsächlich passiert, sondern was die Marktteil- nehmer erwarten und wie sie handeln. Und hier zeichnet sich ein massiver Trend ab. US-Daten zufolge verfünfundzwanzigfachte sich allein das in ESG-konformen ETFs veranlagte Vo- lumen zwischen 2015 und 2020 von sechs auf 150 Milliarden US-Dollar. Weltweit flossen laut MSCI in den ersten drei Monaten dieses Jahres etwa 2.000 Milliarden US-Dollar in ESG-Produk- te, insgesamt stecken heute weltweit rund 35 Bil- lionen US-Dollar in nachhaltigen Investments. Die Zahl der Skeptiker nimmt also rasch ab, auch weil Untersuchungen zeigen, dass nachhal- tige Investitionen keine Renditenachteile bringen. Nach MSCI-Berechnungen entwickeln sich Un- ternehmen, die als „nachhaltig“beurteilt werden, sogar besser. Die Erklärung dafür besteht darin, dass die Nachfrage nach diesen Titeln derzeit höher ist. Asset Ma- nager sind quasi zu investieren gezwungen, weil es nachträglich problematisch sein dürfte, Investments in Unternehmen mit un- günstigen ESG-Ratings zu rechtfertigen, falls sich diese nicht wie gewünscht entwickeln. Langfristig kann dieses Phänomen keinen Bestand haben, denn wenn die Nachfrage nach bestimmten Un- ternehmen stark steigt, ist davon auszugehen, dass sie zu teuer wer- den. Noch ist es aber nicht so weit – in weiterer Folge geht es für die professionelle Finanzberatung erstens darum, juristische Risiken zu vermeiden, und zweitens einen voraussichtlich noch geraume Zeit anhaltenden Megatrend nicht zu verpassen. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Der ESG-Zug rollt Berechnungen von MSCI zeigen, dass sich die Erträge von Unternehmen, die als „nachhaltig“ beurteilt werden, besser entwickeln als jene von Firmen, auf die das nicht zutrifft. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.at 3/2021 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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