FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021

schwert und erst bei sinkenden Kursen die fehlende Nachhaltigkeit geltend macht, dann ist die Frage, ob ihm der Richter glaubt, dass er das Produkt primär wegen der Nachhaltigkeit gekauft hat“, gibt Zahradnik zu bedenken. Naturalrestitution Beschäftigen müssen sich die Gerichte bei etwaigen Klagen zudemmit der Frage, wie viel ein geschädigter Anleger zurückbe- kommt. Liegt tatsächlich eine fehlerhafte Anlageberatung vor und kommt es zu einer Schadenersatzforderung, stehe Kun- den nicht unbedingt der gesamte Wertver- lust zu, betont Zahradnik. Vielmehr sei das Prinzip der Naturalrestitution anzulegen, was aus Kundensicht heiße: „Ich bin so zu stellen, wie ich gestanden wäre, wenn ich richtig beraten worden wäre.“ In der bis- herigen Rechtsprechung, in der es meist darum ging, dass jemand ein riskanteres Produkt als erwünscht erhalten hatte, be- deutet das: Ein Kunde, der ein Anlagein- strument mit zehn Prozent Maximalverlust will, aber eines mit einer historischen Schwankungsbreite von minus 50 Prozent bekommt, kann auf Rückabwicklung kla- gen. Er bekäme aber nur jenen Verlust ersetzt, der die zehn Prozent übersteigt. Denn diese hätte er ja in Kauf genommen. In einem derartigen Umfeld ist der juristische Rat zu besonders genauer Doku- mentation wieder einmal nicht weit: „Menschliche Kommunikation kann voller Missverständnisse sein, besonders, wenn sie mündlich passiert“, warnt Richter-Schöller. Und tatsächlich ist anzunehmen, dass gera- de beim Thema Nachhaltigkeit der Kom- munikationsbedarf um einiges höher ist: Fondsgesellschaften sehen sehr stark die Möglichkeit,mit dem grünen Aspekt Kun- den zu gewinnen, die bisher etwas „gegen das Investieren“ hatten. Man darf nicht überrascht sein, wenn gerade Kunden, die über den Nachhaltigkeitsgedanken einstei- gen, mit spezifischen Vorstellungen kom- men. Kein Tierleid, keine Kinderarbeit, kei- ne Anleihen von Staaten, die die Todesstra- fe ausüben. Da stellt sich die Frage, wie weit ein Berater die Einzeltitel in einem Fonds kennen muss und was er bei sehr konkreten Individualvorstellungen macht. „Einem Vogelfreund, der in einen Alter- nativenergiefonds, jedoch ohne Windkraft- beteiligung investieren will, wird der Bera- ter wohl sagen müssen, dass er das so nicht leisten kann, weil man das in einem sol- chen Fonds nicht unter Kontrolle hat“, sagt Zahradnik. Aber: „Man muss das Thema aber auch nicht mystifizieren. Mit Sonder- wünschen muss ich in der Anlageberatung oder in der Vermittlung auch jetzt schon umgehen“, beschwichtigt der Experte. Wenn man Produkte mit Anlagehori- zonten von zehn Jahren hat, der Kunde aber genau in sieben Jahren ein Haus bauen will, müsse man deklarieren, dass man das nicht bieten kann. Gleichzeitig scheint es aber so, dass man sich in der ESG-Beratung gehäuft mit Grauzonen auseinandersetzen müssen wird. Schon allein gesetzlich bedingt. So besagt die Taxonomieverordnung: Eine Investition muss, damit sie als nachhaltig gilt, mindestens ein Öko-Ziel (von sechs) wesentlich fördern und darf kein anderes erheblich beeinträchtigen (Artikel 3).Doch in der Praxis ist fast kein Ziel rein grün. Wasserkraftwerke sind gut für den Klima- schutz, aber weniger gut für den Land- schafts- und Tierschutz. Selbst bei Kunden, die ganz allgemeine Vorstellungen haben wie „die Umwelt fördern“, kann die Taxo- nomie zur Herausforderung werden. Emp- fiehlt der Berater hier ein Finanzprodukt, das Kernkraft enthält, wäre das zwar poten- ziell taxonomiekonform – gerade ein öster- reichischer Kunde könnte aber anderer Meinung sein. Informationsgrundlage Dass die Nachhaltigkeitsberatung nicht einfach wird, lassen auch die vermehrten Berichte über „Greenwashing“ im Finanz- sektor erahnen. Diese vergrößern bei Bera- tern und Vermittlern die Unsicherheit, wie weit sie auf Angaben von Unternehmen oder Produktherstellern vertrauen dürfen. Bis zu einem gewissen Grad werde einem nichts anderes übrig bleiben, so Zahradnik. Wie gehabt geben Kapitalmarkt- und Fondsprospekte Aufschluss über Unterneh- men, Chancen, Risiken oder die Anlage- politik. „Nicht verlassen darf sich ein Bera- ter hingegen, wenn er hätte wissen müssen, dass die Informationen falsch sind. Einen bekannten Umweltsünder, der sich grün labelt, wird man hinterfragen müssen“, so Zahradnik. Doch auch hier bleiben Ab- grenzungsfragen: etwa beim Green Bond eines Sportwagenherstellers, der diesen für die Elektroautoentwicklung verwendet, oder bei einem Ölkonzern, der damit auf Alternativenergie umsatteln möchte. „Auch hier wird es darauf ankommen, das dem Anleger möglichst transparent zu vermit- teln“, so Rechtsanwalt Zahradnik. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Ich bin so zu stellen, wie ich gestanden wäre, wenn ich richtig beraten worden wäre. « Andreas Zahradnik, Dorda STEUER & RECHT ESG-Beratung 252 fondsprofessionell.at 3/2021 FOTO: © NATASCHA UNKART & ISABELLE KÖHLER

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