FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021

weist Gruber zurück. Viel- mehr sei es in Österreich kaum möglich, an einer Hochschule abseits von Mar- ketinginhalten praxisrelevantes Wissen über Kundenbetreu- ung und Vertrieb in einer Bank zu lernen. Von den rund 250 Referenten am Raiffeisen- campus könne man rund 180 Spezialisten aus dem eigenen System stellen. Dass solche unternehmens- initiierten akademischen Pro- gramme, die in- und externe Expertise kombinieren, ziel- führend sein können, meint auch Wirtschaftspädagogin Fuhrmann: „In bankspezifi- schen Bereichen würde es we- niger bringen, unbedingt jemanden von außen zu gewinnen. Eine Mischung ist sinnvoll, und sie wird durch das Lernziel vorgegeben.“ Diversität – neue Leute Die Lenkungseffekte des betrieblichen Bildungsangebots sind nicht zu unterschät- zen.ZumBeispiel lässt sich damit die Diver- sität fördern, deren Vorteile Arbeitgebern zunehmend bewusst werden: Es kann das Geschäft beleben,wenn die Belegschaft aus dem Erfahrungspool der breiten Gesell- schaft schöpft. Und man hat erkannt, dass viel HR-Potenzial liegen bleibt, wenn man nur in einem kleinen Teich fischt. „Banken tun sich beim Recruiting schwerer als frü- her“, gesteht auch Gruber ein. Man könne hier erfolgreich sein, wenn man Bildung durchlässig macht für Frauen, Quereinstei- ger oder Menschen mit Handicap. Was es dafür braucht, sind nicht immer nur formelle Maßnahmen wie etwa geziel- te Stipendien für Frauen. Genau so effektiv können Bemühungen auf informelleren Ebenen sein. Zum Beispiel hätten sich Bil- dungsimpulse durch ein Frauennetzwerk, das gezielt die Arbeit als Bankaufsichtsrätin attraktiver macht, als sehr zielführend er- wiesen, sagt Gruber. „Die nächste Heraus- forderung ist nun, dass wir junge Leute motivieren, sich für einen Aufsichtsrats- posten oder ein ehrenamtliches Vorstands- mandat zu interessieren“, so Gruber mit Blick auf die Altersstruktur in so manchem Raiffeisen-Führungsgremium. Dass der Erfolg solcher Bestrebungen auch stark vomMethodeneinsatz abhängt, macht Wirtschaftspädagogin Fuhrmann klar. Sie betont dabei den Mix aus Präsenz- lernen und selbstbestimmter oder digitaler Vermittlung. Allgemein komme diese Mischung bei Mitarbeitern sehr gut an, weil sie Autonomie einräumt, gleichzeitig jedoch ein Eingebettetsein vermittelt.Man kann diesen Mix aber auch ganz gezielt va- riieren, um genau jene Perso- nen anzusprechen, von denen man gern mehr hätte. „Durch Distance Learning kann man Leute gut erreichen, die be- rufstätig sind, die familiäre Pflichten haben, die ehren- amtlich tätig sind“, so Fuhr- mann. Nicht zuletzt können flexible Angebote die Motiva- tion für das immer wichtigere lebenslange Lernen hoch hal- ten. Das Alter bringt mitunter zeitraubende Pflichten mit sich (Pflege, Ehrenamt etc.). Hier müsse man auch an dezentrale Bildungsangebote denken, sagt Gruber: „Eine Woche in Wien ist für viele vielleicht schwierig, aber in der Landeshauptstadt oft machbar.“ Potenziale heben Kollege Gezzele lässt anklingen, dass man bezüglich Diversität durchaus auch kontroverse Schritte in Betracht zieht. In Spezialsparten wie der Wertpapierausbil- dung biete die Erste zum Beispiel seit Jah- ren die Möglichkeit eigener Seminare für Frauen. „Es hat riesige Diskussionen ausge- löst, dass wir Männer und Frauen trennen“, so Gezzele. Die Evaluierung bestätigte aber den Erfolg. Man habe gesehen, dass sich Stärken in solchen Teams manchmal bes- ser entwickeln können. Insgesamt steckt in den Methoden noch viel Potenzial. Bei Raiffeisen etwa wird nächstes Jahr ein User Created Content System ausgerollt. Dabei produzieren Mit- arbeiter selbst kurze Lernvideos mit ihrem fachlichen Erfahrungswissen. „Jeder hat ein Know-how, das über das Lehrbuch hinaus- geht. Es geht darum, dieses implizite, nicht dokumentierte Wissen zugänglich zu ma- chen“, sagt Raiffeisen-Bildungsmanager Gruber. Das werde das Lernen in Organi- sationen „auf ein neues Level bringen“. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Durch Distance Lear- ning kann man Leute gut erreichen, die berufs- tätig sind, die familiäre Pflichten haben, die ehrenamtlich tätig sind. « Bettina Fuhrmann, WU Wien Georg Gruber, Raiffeisen: „Bildung ist eine Möglichkeit in Richtung Employer Branding, um gute Leute für das Bankgeschäft zu gewinnen.“ Nächstes Jahr soll ein User Created Content System kommen. BANK & FONDS Bildung 242 fondsprofessionell.at 3/2021 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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