FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021

und Inflation, seit der Finanzkrise aufgelöst hat.Dennoch tun die Zentralbanker weiter- hin so, als ob es sie gäbe. Zudem kritisiere ich, dass in der Geldpolitik niemand für Fehlentscheidungen eintreten muss. In Ihrem Buch schreiben Sie sinngemäß, dass wir Risiken bewerten und versichern, seit wir den Glauben an die göttlicheVorse- hung verloren haben. Der „Versicherungs- staat“, der den Auftrag hat, die Lebensrisi- ken seiner Bürger zu minimieren und sie gegen die Restrisiken abzusichern, funktio- niere aber nicht. Warum nicht? Der „Versicherungsstaat“ reizt die einen, hohe Risiken einzugehen, deren Folgen sie dann auf die Allgemeinheit abwälzen, wenn es schiefgeht. Die anderen lehnen sich in ihrer Hängematte zurück und ver- lassen sich darauf, dass ihnen die Allge- meinheit schon helfen wird. Da sie zusam- men die Allgemeinheit bilden, kann das nicht gutgehen. In der ersten Stufe des Scheiterns macht der Versicherungsstaat immer größere Schulden. In der zweiten gehen ihm die Geldverleiher aus, und er lässt sich das Geld von seiner Zentralbank drucken. Inzwischen sind wir auf Stufe zwei angekommen. Mit welchen Folgen für die Bürger? Am Ende muss sich der mündige Bürger allein helfen. Insbesondere muss er finan- ziell für sich sorgen, indem er seine Erspar- nisse klug anlegt. Aufgrund der übergriffi- gen Geldpolitik kommen dafür nur noch Anlageklassen in Frage, die alle zur Gruppe der sogenannten „realen Vermögenswerte“ gehören. Allerdings sind Immobilien in- zwischen sehr teuer, haben hohe Eintritts- kosten und stellen für viele Sparer ein kre- ditgehebeltes Klumpenrisiko dar. Es blei- ben also als große Anlageklasse nur noch die Aktien. Da man die Diversifizierung des Portfolios heute nicht mehr über ver- schiedene Anlageklassen erreichen kann, muss man innerhalb der Aktienanlagen und über die Regionen, die Art der Unter- nehmen und die Zeit diversifizieren. Das heißt, man sollte Anlagen weltweit und über verschiedene Stile – zum Beispiel „- Value“ und „Growth“ – streuen. Und man sollte über die Zeit diversifizieren, indem man den Aufbau und Abbau eines Port- folios zeitlich streckt und dazwischen die Geduld für eine lange Haltezeit aufbringt. Damit sind wir auch beim Fondsmanage- ment. Welche Lehren hat Flossbach von Storch denn aus Ihrem Essay gezogen? Wir waren noch nie Fans der modernen Finanztheorie, sondern verlassen uns auf kaufmännisches Denken und gesunden Menschenverstand. Was die Zukunft an- geht, so versuchen wir, sie mit plausiblen „Erzählungen“ zu ergründen, die aus der genauen Analyse der Gegenwart und in der Vergangenheit erworbener Erfahrung entwickelt werden. Und dann gilt es, sich mit Versuch und Irrtum voranzutasten. Dann lässt sich das Unbekannte also nicht vermessen, berechnen und absichern? Nein, man kann die Zukunft nur auf der Grundlage von Erfahrungen und einer prä- zisen Analyse der Gegenwart „erahnen“. Aber mit mathematischen Modellen ver- messen kann man das Unbekannte nicht. Vielen Dank für das Gespräch. ANDREA MARTENS FP KURZ-VITA: Thomas Mayer Thomas Mayer wurde 1954 in Backnang geboren. Der pro- movierte Volkswirt war von 1983 bis 1990 in verschiedenen Funktionen beim Internationalen Währungsfonds in Washing- ton tätig. Danach wechselte er in die Privatwirtschaft und arbeitete bei großen Investmentbanken. Von 2010 bis 2012 war Mayer Chefvolkswirt der Deutsche-Bank-Gruppe und Leiter der Denkfabrik Deutsche Bank Research. Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes, das er seit 2014 leitet. » ETFs sind eine gute Methode zum Trittbrett- fahren. Daran ist auch nichts Verwerfliches. « Thomas Mayer, Flossbach von Storch fondsprofessionell.at 3/2021 107

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