FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2021

allerdings um Kauf- und nicht um Dienst- leistungsverträge. Analog zum Amazon-Fall ersuchte der OGH im Jahr 2018 den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung in der Auseinandersetzung zwischen VKI und TVP. Die luxemburgische Entschei- dung zugunsten der Verbraucher liegt seit Oktober 2019 vor. Infolgedessen beschloss der OGH inWien schließlich, die vomVKI angefochtenen Klauseln aufzuheben, weil sie die Anleger „gröblich benachteiligen“. Dabei geht es um zwei Vertragsregelun- gen, die unabhängig von MPC und TVP jedes grenzüberschreitende Geschäft betref- fen. Erstens geht es um die Rechtswahl- klausel in einem Vertrag, die regelt, welches Recht zur Anwendung kommen soll. Die Wahl des deutschen Rechts für österrei- chische Kunden, wie im TVP-Vertrag vorge- sehen, ist aber grundsätzlich nicht zulässig. Das wäre allenfalls möglich, wenn der Verbraucher in dieser Rechtswahlklausel direkt darauf hingewiesen wird, dass zwin- gende Bestimmungen des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes gelten und durch die Wahl des deutschen Rechts nicht ausgehebelt werden. Dies gilt im Übrigen nicht für Unter- nehmen oder Stiftungen, sondern nur für Verbraucher im Sinne des Konsumenten- schutzgesetzes. Hamburg ist nicht Wien Zweitens war die Bestimmung des Erfül- lungsortes der Dienstleistungen strittig.Der VKI argumentiert, dass die Hamburger TVP aus der Ferne in Österreich tätig sei, und deshalb müsse das heimische Verbrau- cherrecht gelten. Bei genauer Betrachtung der Tatsachen ist das eine gewagte Annah- me, weil sich genauso gut darstellen lässt, dass die Treuhandtätigkeit eine deutsche Dienstleistung ist, die in Hamburg erfüllt wird. Dazu erklärt der österreichische MPC-Repräsentant Kurt Cowling: „Die TVP hatte nie einen Sitz oder Mitarbeiter in Österreich. Die Erstellung und der Versand der Geschäftsberichte und Anle- gerkommunikation erfolgten ebenso aus Hamburg heraus wie die Auszahlungen an die Anleger.“ Zustellungsort entscheidet Die Gerichte bewerten das jedoch anders und vertreten die Auffassung, dass die deutsche Tätigkeit mit der Zustellung in Österreich letztlich hierzulande erbracht wurde. Und weil der Service ohne Barrie- ren grenzüberschreitend geleistet wird und der Österreicher nicht nach Hamburg reisen muss, um die TVP-Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, darf Hamburg nicht als Erfüllungsort bestimmt werden. In der Konsequenz gilt auch aus diesem Grund das österreichische und nicht das deutsche Verbraucherrecht. Überdies ist der Vertragspassus „Gerichtsstand ist der Sitz der Treuhänderin“ laut Entscheidung der Gerichte für Anleger ebenfalls „gröblich benachteiligend“. Daher haben sie den Gerichtsstand Hamburg als unzulässig er- klärt. Das bedeutet: Für Österreicher ist das Gericht ihres Wohnsitzes zuständig, und deshalb müssen Klagen gegen TVP nicht in Hamburg eingebracht werden. Fazit Der VKI wollte mit einer Klage gegen die TVP eine rechtsgültige Entscheidung erreichen, wie mit grenzüberschreitenden Dienstleistungsverträgen umzugehen ist. Mit Erfolg, denn nun ist über diesen Streitfall hinaus eine allgemein gültige Rechtsfrage geklärt. Der Ausgang dieses Verfahrens hatte allerdings keinen Einfluss mehr auf die Forderungen der Anleger der notleidenden Fonds, weil ihre Ansprüche – etwa gegen ihre Finanzberater – bereits geregelt waren. Außerdem konnte mit der Aushebelung einiger Klauseln im Treuhandvertrag zwi- schen TVP und den Anlegern nicht die Rückzahlungspflicht der Anleger verhin- dert werden. Denn für die Forderungen der Fondsgesellschaften ist nicht nur der Treuhandvertrag relevant, sondern das allgemeine Vertragsrecht nach dem All- gemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. Das hätten die juristischen Experten des Vereins für Konsumenteninformation wissen können, es wurde von mehreren Gerichten bestätigt. ALEXANDER ENDLWEBER FP Kurt Cowling vertritt die Hamburger MPC-Gruppe in Österreich. In Wien kümmerte sich MPC um den Vertrieb, aber nicht um die Fondsverwaltung. Der Wiener Sebastian Schumacher hat im Auftrag des VKI erfolgreich Klagen gegen die MPC-Treuhänderin TVP geführt. fondsprofessionell.at 1/2021 263

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