FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2021

Wenn wir es also schaffen, mit unserem Fünf-Jahre-plus-Horizont jene Unterneh- men mit dem schnellsten Gewinnwachs- tum zu identifizieren, dann haben wir gute Chancen, in den aussichtsreichsten Aktien investiert zu sein. Woher stammen diese Erkenntnisse? Schon ein Satz wie „Der Markt ist heute gestiegen“ ergibt bei genauerem Hinsehen keinen Sinn. Ich räume durchaus ein, dass die Entwicklung von Aktien auf Sicht von einem Tag oder sogar einem Jahr hoch kor- reliert ist. Aber es ist nicht der Markt, der sich bewegt, es sind die Kurse einzelner Unternehmen. Deshalb war für uns die Er- kenntnis wegweisend, dass der weit über- wiegende Teil der Aktienmarktrenditen von einer nur winzigen Anzahl von Unter- nehmen stammt. Daher interessieren wir uns schon lange nicht mehr für Broker- berichte oder Sell-Side Research. Stattdes- sen arbeiten wir mit Universitäten und Akademikern zusammen. Wie zum Beispiel? Eine der Studien, die wir in Auftrag gege- ben haben, wurde von Hendrik Bessem- binder, Professor an der Arizona State Uni- versity, durchgeführt. Er hat für uns eine Langzeitanalyse über die globalen Aktien- märkte durchgeführt. In diesem Zusam- menhang hat er 2018 eine Statistik erstellt, die besagt, dass in einem Zeitraum von 18 Jahren die Gesamtwertschöpfung an den globalen Aktienmärkten von gerade ein- mal 1,3 Prozent der börsennotierten Unter- nehmen erzielt wurde.Damit sind wir wie- der beim Thema Asymmetrie. Denn die Unternehmen, die zu diesen 1,3 Prozent gehören, warfen das Zehnfache, teilweise sogar das 30- oder sogar das 50-fache dessen ab, was man ursprünglich in sie investiert hatte.Wenn Sie also in der Lage wären, die- se Firmen zu finden, fielen Ihre Invest- mentergebnisse grandios aus. Auch wir fin- den natürlich nicht alle. Aber wir werden nicht zu suchen aufhören. Sie bezeichnen Ihren Investmentstil nicht als aktiv, Sie benutzen den englischen Begriff „Actual Investing“, was im Deut- schen so viel wie „wirkliches Investieren“ bedeutet. Was steckt dahinter? Es ist eher ein Wortspiel, mit dem wir un- ser eigenes Verständnis von Investment aus- drücken und gleichzeitig an den grundle- genden Zweck des Investierens und der In- vestmentindustrie erinnern.Wir arbeiten in einer Branche, die sich in vielerlei Hinsicht über die vergangenen 30 oder 40 Jahre zu ihremNachteil entwickelt hat. Viele Fonds- manager bezeichnen sich als aktiv. Aber ist das Kaufen und Verkaufen von Aktien oder der Versuch, sich von einem Index zu unterscheiden und einen gewissen Tra- cking Error vorzuweisen, wirklich aktives Investment? Unserem Verständnis vom wirklichen Sinn des Investierens entsprach das einfach nicht mehr. Undworin sehen Sie den Sinn des Investie- rens dann? Der eigentliche Zweck von Investieren ist, Kapital in Aktivitäten zu lenken, die neue Dienstleistungen oder bessere Geschäfts- modelle schaffen, die Wohlstand schaffen, die den Lebensstandard in der Gesellschaft vorantreiben. Das mag sehr philosophisch klingen, trifft aber in meinen Augen genau das, was Investieren eigentlich sein sollte. Daran wollen wir mit dem Begriff „wirkli- ches Investieren“ eigentlich nur erinnern. Vielen Dank für das Gespräch. HANS HEUSER FP KURZ-VITA: Stuart Dunbar Stuart Dunbar arbeitet seit über 18 Jahren für Baillie Gifford. Begonnen hat er als Director Financial Institutions, im Mai 2014 wurde er zum Partner ernannt. Zuvor hat der Schotte für Unternehmen wie Aberdeen Asset Management, Thorn- ton Investment Management sowie die Dresdner RCM Global Investors gearbeitet. Dunbar hat Finanzwissenschaft an der University of Strathclyde in Glasgow studiert. » Wir interessieren uns schon lange nicht mehr für Brokerberichte oder Sell-Side Research. « Stuart Dunbar, Baillie Gifford FOTO: © MIKE WILKINSON fondsprofessionell.at 1/2021 129

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