FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020
Im Juli brach die Commerzialbank Mattersburg zusammen. Der Wirt- schaftsprüfer merkte den jahrzehnte- langen Betrug genauso wenig wie die Finanzmarktaufsicht. Vielgeprüftes Kartenhaus Im unglaublichen Fall der burgenländischen Commerzialbank Mattersburg formieren sich die Anwälte. Wie es aussieht, dürften noch einige Anleger dem oder den Whistleblowern dankbar sein. W as muss in dem oder den Whistle- blowern vorgegangen sein, die ver- sucht haben, den Vorgängen in der bur- genländischen Commerzialbank Matters- burg (CBM) ein Ende zu bereiten? Detail- liert versorgte ein oder mehrere Insider die Behörden mindestens ab 2015 mit Hin- weisen auf grobe Ungereimtheiten. Es soll- te trotzdem noch Jahre dauern, bis der Betrug aufgedeckt wurde. Einen größeren Bruch des Vertrauens in die Obrigkeiten kann man sich als Tippgeber wohl kaum vorstellen. Am 14. Juli 2020 brach das Kar- tenhaus ein. Bankvorstand Martin Pucher und seine Vorstandskollegin haben über einen Zeitraum von rund drei Jahrzehnten hinweg 688 Millionen Euro an Krediten und Einlagen erfunden – einen großen Teil der Bilanz, die offiziell 800 Millionen Euro ausmachte. Offenbar sind es nun genau diese (an- fänglich wirkungslosen) Whistleblowerhin- weise, die geschädigten Gläubigern und Anlegern helfen könnten, an ihr Geld zu kommen. Denn: Angesichts der Aussage- kraft der Hinweise könne sich die Repu- blik nicht einfach auf gewisse gesetzliche Haftungsfreiheiten ausreden, sagt Anwalt Johannes Wutzlhofer (Dax Wutzlhofer und Partner) gegenüber FONDS professionell. Der Hintergrund: Mehrere Vertreter der Behörden, die den Betrug über die Jahre nicht erkannten, haben ihre Schuld umge- hend zurückgewiesen: Robert Holzmann, Gouverneur der Nationalbank (OeNB), dessen Mitarbeiter auf Anweisung der Finanzmarktaufsicht (FMA) die Commer- zialbank ab 2015 drei Mal kontrollierten, betonte zum Beispiel, seine Leute müssten sich auf gewisse Bestätigungen des Wirt- schaftsprüfers verlassen können – der hat aber bekanntlich versagt. Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur (der „Anwalt der Republik“) erklärte wiederum, der Bund hafte laut Gesetz den Anlegern nicht. Seiner Ansicht nach steht in erster Linie der Aufsichtsrat in der Pflicht. Insider kappt Haftungsfreiheit Wutzlhofer sieht das anders. Zwar dürfe die FMA auf die Erkenntnisse der OeNB vertrauen oder die OeNB auf jene des Wirtschaftsprüfers. Aber hier liege ein ganz anderer Sachverhalt vor. „Der Whistle- blower hat schon früh sehr genau die Systematik des Betrugs beschrieben“, so Wutzlhofer. Sich auf andere in der Prüf- kette zu verlassen gilt für ihn somit nicht. Der Informant hat schließlich Probleme gemeldet, die die Prüfinstanzen eben bis- her nicht erkannt haben. Man müsse die Zusammenarbeit der Behörden hinterfra- gen und ob diese den Angaben des Whistle- blowers tatsächlich nachgegangen sind. Ein Tippgeber wandte sich erstmals im Juli 2015 während einer Vor-Ort-Prüfung der OeNB an die Wirtschafts- und Korrup- » Der Whistleblower hat schon früh sehr genau die Systematik des Betrugs beschrieben. « Johannes Wutzlhofer, Dax Wutzlhofer und Partner BANK & FONDS Commerzialbank FOTO: © ANTEROVIUM | STOCK.ADOBE.COM 254 fondsprofessionell.at 3/2020
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