FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020

Denn laut Schätzungen der ESMA liegen die Kosten für die Einrichtung einer Fonds- tranche bei fünf bis 20 Prozent der Kosten, die die Lancierung eines komplett neuen Investmentprodukts mit einem ähnlichen Portfolio verursacht. Die Motivation, statt eines neuen, artverwandten Produkts ein- fach eine neue Tranche mit neuem Buch- staben herauszugeben, ist also hoch. Schulterzucken Eine Straffung der Tranchenvielfalt müss- te also in Wirklichkeit von den jeweiligen Aufsichten ausgehen – zumindest sollte von ihnen eine entsprechende Initiative in Richtung Gesetzgeber ausgehen.Die Regu- latoren winken aber ab, beispielsweise auch die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA: Dort glaubt man nicht, dass es zu einer Vereinheitlichung kommen kann. „Nach Maßgabe der Fondsbestimmungen können für ein Sondervermögen gemäß Investmentfondsgesetz (InvFG) mehrere Gattungen von Anteilscheinen ausgegeben werden, insbesondere im Hinblick auf die Ertragsverwendung, den Ausgabeaufschlag, den Rückabnahmeabschlag, die Währung des Anteilwerte, die Verwaltungsvergütung oder eine Kombination der genannten Kri- terien. Es ist zwar denkmöglich, aber prak- tisch nicht realistisch, eine eindeutige Be- zeichnung für sämtliche Kombinationen festzulegen.Daher gab es hierfür seitens der nationalen oder internationalen Regulie- rung noch keine Ansätze.“ Schlimmer statt besser Aus österreichischer Sicht gibt es also kei- ne Initiative, doch auch bei der EFAMA, demDachverband der europäischen Invest- mentfondsverbände, zeigt man sich von der Unübersichtlichkeit unbeeindruckt. Auf die Frage, ob eine Entflechtung des Tranchen-Wirrwarrs irgendwo auf dem Ra- dar der Vertretung auftauche, erklärt Vin- cent Ingham, Director of Regulatory Af- fairs bei der EFAMA: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine solche Initiative von EFAMA oder ESMA zur Entwicklung eines standardisierten Systems für einheitli- che Abkürzungen der Anteilsklassen. Zu diesem Thema ist auch für die Zukunft nichts geplant. Der Grund dafür ist, dass der sich entwickelnde Bedarf an verschie- denen Anteilsklassen in Verbindung mit all den verschiedenen Abkürzungen, die es bereits gibt, eine zu komplexe Angelegen- heit ist, um sie in ein standardisiertes Sys- tem zu übertragen. Wir sehen auch nicht die Notwendigkeit von Seiten der Investo- ren, ein solches System zu schaffen. Für Anleger ist es viel einfacher, die Bedeu- tungen der verschiedenen Aktienklassen im Glossar oder in der Verkaufsbroschüre des jeweiligen Vermögensverwalters nach- zuschlagen.“ Versteckte Risiken Ähnlich sehen das die Fondsgesellschaf- ten selbst. Zudem gibt es für die Fondsan- bieter in Wirklichkeit kaum einen Anreiz, für eine Vereinheitlichung zu sorgen. So birgt die Umbenennung oder Zusammen- führung von Anteilsklassen auch Risiken, wie Thomas Wilhelm, Leiter Asset Ma- nagement Tax bei Ernst & Young in Wien, zu bedenken gibt: „Zum einen hat es oft auch steuerliche Auswirkungen, wenn Shareklassen zusammengelegt werden. Und zum anderen läuft die Fondsgesell- schaft immer Gefahr, den Kunden zu ver- lieren.Wenn die Fondsgesellschaften etwas zusammenführen oder umbenennen wol- len,müssten sie auch ihre Anleger darüber informieren – und jede Veränderung birgt das Risiko, dass Anleger ihr Geld abziehen und woanders investieren.“ Zu komplex Auch beim deutschen Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) hält man ein zentrales System nicht für möglich: „Ein solches Unterfangen wäre hochkomplex, denn es gibt eine Fülle von Merkmalen, die den Unterschied zwischen einzelnen Anteilsscheinklassen ausmachen. Auch gibt es nicht für alle Merkmale sinn- hafte Kürzel, die in allen Sprachen selbst- erklärend wären. Außerdem richten sich manche Anteilsscheinklassen lediglich an einen sehr spezifischen Anlegerkreis. Für das Verständnis der Chancen und Risiken eines Fonds sind Anleger besser beraten, sich die Unterlagen anzuschauen, Kürzel helfen hier nur begrenzt weiter.“ Die Ver- antwortung wird also auf den einzelnen Kunden beziehungsweise auf dessen Ver- mögensberater abgewälzt. Und Letztere, so berichten einige Fondsgesellschaften auf Nachfrage, kommen doch immer wieder mal mit Fragen zu den Anteilsklassen und zur Bedeutung der jeweiligen Abkürzun- gen auf die Fondsanbieter zu. So erklärt Herbert Kronaus, Country Head Austria bei Columbia Threadneedle Investments: „Natürlich melden sich immer wieder Berater, die sich mit dem Anteilsklassen- glossar oder dem Verkaufsprospekt nicht zurechtfinden.“ Durch die unterschiedli- » Wir sehen nicht die Notwendigkeit von Seiten der Investoren, ein solches System zu schaffen. « Vincent Ingham, EFAMA fondsprofessionell.at 3/2020 233

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