FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020
Uns könnte ein heißer Herbst bevorstehen. Ich rechne aus mehreren Gründen mit großen Unsicherheiten. Zum Winter hin droht eine weitere Corona-Welle, in den USA stehen Anfang November die Präsi- dentschaftswahlen an, auch in Japan steht ein Regierungswechsel bevor, und in Europa streitet die EUmit Großbritannien über die Neuregelung ihrer Beziehungen nach dem Brexit. Insbesondere bei den stark gelaufenen Technologieunternehmen ist Vorsicht angebracht. Anleger sollten nicht außer Acht lassen, dass die großen Tech-Werte, deren Aktien Mitte September stark eingebrochen sind, von Demokraten und Republikanern gleichermaßen zu Sündenböcken erklärt wurden. Der Vorsit- zende des Unterausschusses für Kartell-, Handels- und Verwaltungsrecht im US- Repräsentantenhaus hat nicht ohne Grund angedeutet, man wolle im Oktober die Ergebnisse zur dominierenden Marktstel- lung von Amazon, Apple, Facebook und Google vorlegen. Das könnte ein weiterer Stolperstein für die Märkte werden. Andererseits lassen sich aber doch Argu- mente finden, die die hohen Kurse rechtfer- tigen. Trotz einer im zweiten Quartal histo- risch schwachen US-Wirtschaft sind die Kurse auf neue Hochs gestiegen. Natürlich, der Nasdaq Index hat seit Jahres- beginn sogar um etwa ein Drittel zugelegt. Auch der schwache US-Dollar wirkt sich günstig aus, vor allem für die Märkte außer- halb der USA. Außerdem dürften die Notenbanken noch länger auf eine expan- sive Geldpolitik setzen. Und sobald ein Impfstoff existiert, könnte sich die Weltwirt- schaft rasch erholen. Aber wenn man da- von ausgeht, dass die Vergangenheit immer auch eine Lehre für die Zukunft darstellt, dann sollten Investoren in den kommen- den Wochen besonders vorsichtig sein.His- torisch gesehen waren die Monate Septem- ber und Oktober stets die schwächsten für US-Aktien. Gerade der Oktober bescherte Anlegern oft zweistellige Verluste. Weckt die besondere Stärke der Technolo- giewerte etwa doch Erinnerungen an die Entwicklung im Jahr 2000 in Ihnen? So weit würde ich nicht gleich gehen. Die Kursrally bei den entsprechenden Aktien war vor allem von Langfristtrends geprägt. Wenn überhaupt, wurden diese Trends durch den Wechsel vieler Arbeitnehmer ins Homeoffice und die verstärkten On- linekäufe forciert. Die Bewertungen sind heute allerdings nicht so verrückt wie zu Zeiten der Dotcom-Blase vor 20 Jahren. Microsoft mag jetzt zum 35-Fachen der für das nächste Jahr erwarteten Gewinne ge- handelt werden, aber 1999 und 2000 betrug das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Un- ternehmens etwa 65. Das KGV von Cisco Systems, einem Highflyer jener Tage, ist damals sogar auf fast 130 gestiegen. Und doch gibt es Zeichen, dass eine Reihe von Aktien inzwischen zu teuer geworden sind. Welche sind das Ihrer Ansicht nach? Viele institutionelle Investoren scheinen Umfragen zufolge bereits recht konservativ positioniert zu sein. Und die Volatilitäts- indizes des S&P 500 und der Nasdaq sind trotz der neuen Kurshochs gestiegen.Man- ches deutet darauf hin, dass die Anleger sich in den nächsten Wochen gegen Vola- tilität absichern wollen. Daher steht den Märkten vielleicht kein Absturz bevor, aber es wird ein ereignisreicher Herbst. Vielen Dank für das Gespräch. HANS HEUSER KURZ-VITA: Joe Amato Joe Amato trat 2006 in die Dienste von Neuberger Berman. Als Chief Investment Officer ist er in erster Linie für Aktieninvestments verantwortlich. Von 1994 bis 2006 hat Amato für die ehemalige Lehman Brothers gearbeitet, wo er zuletzt als Global Head of Equity Research das Aktien- research geleitet hat. Vor seiner Zeit bei Lehman Brothers war er zehn Jahre lang für die frühere Investmentbank Kidder Peabody tätig. FP » Insbesondere bei den stark gelaufenen Tech- nologieunternehmen ist Vorsicht angebracht. « Joe Amato, Neuberger Berman fondsprofessionell.at 3/2020 109
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