FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
auf Schadenersatz verklagt. Sie hatte es seiner Meinung nach versäumt, eine Schadensmel- dung rechtzeitig dem vorherigen Versicherer weiterzuleiten, sodass dieser die Übernahme des Schadens ablehnte – so die Kurzfassung des Vorgangs. Das sah das OLG auch so. Zumindest hätte der Makler den Kunden da- rauf hinweisen müssen, dass er dem Vorver- sicherer den Schaden direkt melden soll. „Die Klärung von Vorversichererfragen sollte daher geradezu ein Reflex von Versicherungsmak- lern sein“, sagt Korn. Änderung von Lebenspolicen: Vergleichsberechnungen beachten BGH, Urteil vom 26.7.2018, Az. I ZR 274/16 § Dieses Urteil steht ebenfalls in der Tra- dition des Sachwalter-Urteils. „In der Rechtsprechung ist bereits anerkannt ge- wesen, dass die Beratungspflichten des Versi- cherungsmaklers gerade bei einem Wechsel des Versicherungsschutzes sehr weitreichend sind. Hintergrund ist, dass sich der Versiche- rungsnehmer grundsätzlich bei einemWechsel des Versicherungsvertrags nicht verschlechtern will“, erklärt Anwalt Reichow. In diesem Fall hatte ein Vermittler 2006 empfohlen, die Ver- sicherungsprämie einer im Jahr 1999 abge- schlossenen Lebensversicherung erheblich zu reduzieren und stattdessen eine sogenannte Rürup-Police abzuschließen. Das tat der Kunde. Sieben Jahre später verklagte er den Vermittler wegen Verletzung der Beratungs- pflichten: Dieser habe keinen Vergleich der neuen Versicherungslösung mit den alten Ver- trägen hinsichtlich der Rentabilität oder Wirt- schaftlichkeit angestellt. Der BGH pflichtete ihm bei. „Da der Kläger nicht einmal pflicht- gemäß auf die Möglichkeit einer Vergleichs- berechnung hingewiesen worden ist, ist nach dem Grundsatz des beratungsgerechten Ver- haltens (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012, IX ZR 125/10) jedenfalls zu vermuten, dass er sich im Falle des gebotenen Hinweises ohne eine solche Berechnung nicht zu einer Um- schichtung entschlossen hätte“, schreiben die Bundesrichter. Vermittler ist haftbar für ungeprüfte Aussagen OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. 11. 2018, Az. 4 U 210/17 § Das Urteil ist Anwalt Korn zufolge eine Warnung vor zu vollmundigen oder ungeprüften Aussagen von Vermittlern. Es geht um einen Versicherungsnehmer, der ein Patent hält. 2008 fragte er einen Berater nach einer Patentrechtsschutzversicherung und vergewisserte sich vor Vertragsabschluss aus- drücklich, ob die Abwehr bei sogenannten Schutzrechtsnichtigkeitsklagen in dem Tarif enthalten ist. Dieser bejahte das, obwohl die- ser Schutz nicht bestand. 2013 leitete der Kunde ein gerichtliches Patentrechtverlet- zungsverfahren ein und wollte die vermeint- liche Deckung zum Schutz gegen eine Schutzrechtsnichtigkeitsklage nutzen. Der Rechtsschutzversicherer lehnte ab, sodass der Kunde den Vermittler auf Schadenersatz ver- klagte. Das OLG Düsseldorf erkannte ihm diesen zu, auch wenn Sachverständige im Verfahrensverlauf erklärten, dass es den gewünschten Schutz zu der Zeit gar nicht gab. „Sofern ein Versicherungsmakler die Aussage trifft, dass ein Risiko versichert sei, und ist dies tatsächlich nicht der Fall, so macht er sich schadenersatzpflichtig. Dies gilt auch dann, wenn das Risiko gar nicht versicherbar war. Solche Aussagen eines Versicherungsmaklers wirken daher wie Zusagen“, kommentiert Anwalt Korn. BU-Leistungsbefristung: Vermittler haben Informationspflichten BGH, Urteil vom 9. 10. 2019, Az. IV ZR 235/18 § Das jüngste Urteil kommt aus dem Bereich Berufsunfähigkeit (BU): Da bei einer solchen eine Genesung möglich ist, existieren „Leistungsbefristungen“. Nach Ende einer solchen Frist wird geprüft, ob ein Leistungsfall noch existiert – wie im konkre- ten Fall. Ein Mann hatte im Oktober 2013 ei- nen Antrag auf BU-Rente gestellt, ihm wurde eine 50-prozentige Berufsunfähigkeit attes- tiert. Der Gutachter meinte zudem, dass sich dessen Zustand nicht bessern werde. Dennoch befristete der Versicherer die Rentenzahlung bis zum 1. Juni 2015. Im Mai 2015 beantragte der Mann, die Leistungen über den 1. Juni 2015 hinaus zu erhalten, was der Versicherer auf Basis eines neuen Gutachtens ablehnte. Daraufhin klagte der BU-Rentner. Begrün- dung: Der Versicherer habe die Befristung in einem Schreiben von 2014 nicht ausreichend begründet. Das sah der BGH auch so: „Ein befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähig- keitsversicherung setzt sowohl das Vorliegen eines sachlichen Grundes als auch eine Begrün- dung der Befristung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer vor- aus.“ Für Vermittler hat das Urteil laut Anwalt Jöhnke die Konsequenz, dass sie Informa- tionspflichten gegenüber den Bestandskunden haben, sofern diese Leistungen aus der BU- Versicherung erhalten. „Die Versicherten haben ein originäres Interesse daran, dass BU-Versicherungen die Rente aus dem Versi- cherungsvertrag weiterzahlen, und zwar über eine etwaige Befristung hinaus. Liegt jedoch eine Befristung durch die Versicherung vor und ist diese rechtlich unzulässig, so sollte der Vermittler zur rechtlichen Überprüfung der Entscheidung des Versicherers zwingend raten“, so Jöhnke. JENS BREDENBALS | FP Jens Reichow, Kanzlei Jöhnke & Reichow: „Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit.“ Matthias Kroll, Dr. Nietsch & Kroll: „Der BGH dehnt den Schicksalsteilungsgrundsatz auf Folgeverträge aus.“ Foto: © Dr. Nietsch & Kroll, Kanzlei Jöhnke & Reichow 416 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 steuer & recht I ur teile
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