FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
Dagegen klagte der Kunde. Der BGH gab ihm recht: „Den Versicherer trifft eine vertrag- liche Nebenpflicht, auf Verlangen seines Ver- sicherungsnehmers mit einem von diesem umfassend bevollmächtigten Vertreter Schrift- wechsel im Rahmen eines Versicherungsver- hältnisses zu führen, es sei denn, dass dies dem Versicherer aus besonderen Umständen im Einzelfall unzumutbar ist“, lautet die Begründung des Gerichts. „Das kann bei- spielsweise dann der Fall sein, wenn in der Person des Versicherungsmaklers besondere Gründe bestehen, wenn im Einzelfall ein er- heblicher Mehraufwand entstünde oder wenn nur eine begrenzte Vollmacht vorgelegt wird, die für den Versicherer mit der Schwierigkeit verbunden wäre, die jeweiligen Zuständigkei- ten abzugrenzen“, erläutert Anwalt Norman Wirth von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Aufgabenverletzung verpflichtet Makler zur „Quasideckung“ BGH, Urteil vom 6. 3. 2014, Az. IV ZR 422/12 § Dieses Urteil steht in der Tradition des Sachwalter-Urteils, da der BGH erneut auf die umfassenden Pflichten des Maklers verweist. Konkret ging es um einen selbstständigen Ofenbaumeister, der Versiche- rungsschutz für seine betriebliche Tätigkeit brauchte. Der Makler fertigte einen Vertrag für einen „Ofensetzer“ an. In einem Telefon- gespräch erklärte der Kunde, dass er auch Fliesenarbeiten ausführe. Der Makler gab die- se Informationen aber nur lückenhaft an den von ihm ausgesuchten Versicherer weiter. Als später im Zusammenhang mit den Fliesen- legerarbeiten des Ofenbauers ein Sachschaden entstand, weigerte sich die Versicherung, für diesen aufzukommen, da diese Schäden nicht vertraglich abgesichert seien. Daraufhin ver- klagt der Ofenbauer den Makler. „Im Rahmen des Prozesses verlangte der Ofensetzer nun, vom Versicherungsvermittler so gestellt zu werden, als hätte der Versicherungsvermittler eine Haftpflichtversicherung vermittelt. Der Versicherte verlangte also vom Versicherungs- vermittler quasi die Deckung, welche ansons- ten ein Versicherer zur Verfügung gestellt hät- te“, erläutert Anwalt Reichow. Dies beschrei- be den Begriff der „Quasideckung“. Der BGH gab dem Ofenbaumeister recht: Wenn ein Makler pflichtwidrig handle und ein bestimm- tes Risiko nicht abdecke, könne der Kunde von ihm verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er den erforderlichen Versicherungs- schutz erhalten. Vermittler haben Dokumentationspflicht BGH, Urteil vom 13. 11. 2014, Az. III ZR 544/13 § Ausgangspunkt war, dass Versiche- rungsvertreter Anfang 2011 Kunden zur Kündigung von seit 2004 bestehenden kapitalbildenden Lebenspolicen rieten, die das bekannte Steuerprivileg noch genossen. An- schließend vermittelten sie den Klienten neue Versicherungen. Diese erkannten später, dass die alten Policen für sie günstiger waren, und klagten wegen Falschberatung: Unter ande- rem seien sie über den Wegfall der Steuerfrei- heit infolge des Wechsels nicht aufgeklärt worden. Die Berater gaben wiederum an, sie hätten die Kunden über alle Folgen und Risi- ken des Wechsels informiert. Der BGH folgte ihnen aber nicht: „Diese hätten darlegen und beweisen müssen, dass sie über alle Vor- und Nachteile der Kündigung oder Neuabschluss von Lebensversicherungen hingewiesen hät- ten“, kommentiert Anwalt Björn Thorben Jöhnke von der Kanzlei Jöhnke & Reichow. Dies sei hier jedoch nicht möglich gewesen, da es kein Beratungsprotokoll und keine Auf- listung über die vorgenannten Vorgänge gab. „Dieses stellt eine Nichtbeachtung der Doku- mentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach Paragraf 61 Absatz 1 Satz 2, Paragraf 62 VVG dar“, so Jöhnke weiter. Verletzt der Ver- mittler seine Dokumentationspflicht, kann dies laut Anwalt Kroll zu Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr führen. Makler haftet auch für nicht selbst vermittelte Vorversicherungen OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.7.2018, Az. 4 U 47/17 § Eine Fehlerquelle bei der Vermittlung ist der Umgang mit Vorversichererfragen. „Die Klärung, ob möglicherweise ein Vorversicherer eintrittspflichtig ist, gehört nach diesem Urteil des OLG Düsseldorf zum Pflichtenprogramm eines Versicherungsmak- lers“, so Anwalt Oliver Korn von der Berliner GPC Law Rechtsanwaltsgesellschaft – auch wenn der Makler den Vertrag nicht vermittelt hat. In dem vorliegenden komplexen Fall hat- te ein Architekt eine Versicherungsmaklerin Foto: © Jöhnke & Reichow Björn Thorben Jöhnke, Jöhnke & Reichow: „Makler müssen darlegen können, dass sie aufgeklärt haben.“ Vergütungsvereinbarungen für Nettopolicen Versicherungsvermittler werden in aller Regel mittels Provisionen entlohnt, die aus den Prämien der Kunden genommen werden. Es steht ihnen aber auch grund- sätzlich frei, mit Kunden separate Vergütungsver- einbarungen zu treffen, wenn sie Nettopolicen ver- mitteln (BGH, Urteil vom 20. Januar 2005, Az. III ZR 207/04). Der Fall: Ein Makler hatte einem Kunden im Jahr 2000 eine Fondspolice vermittelt. Die Beitragssum- me betrug 160.000 D-Mark. Da es sich um eine Nettopolice ohne Provisionsanteil handelte, unter- schrieb der Kunde eine vorformulierte „Vermittlungs- gebührenvereinbarung“, in der er sich zur Zahlung einer Vermittlungsprovision verpflichtete. Diese sollte unter anderem 12.500 D-Mark für die ersten drei Jahre der Laufzeit betragen. Nach 16 Monaten kündigte der Kunde die Police und focht die Vereinbarung an. Die Folge für Vermittler: Der Bundesgerichtshof hat klar- gestellt, dass einer solchen Vereinbarung nicht entgegen- steht, dass der Makler eigentlich als Sachwalter des Kunden dem „Lager des Kunden“ zuzuordnen ist. Damit sei er Anwalt Norman Wirth zufolge „nur“ zu einer umfassenden Betreuung aller Versicherungs- interessen des Kunden und zu einer entsprechen- den Beratung in Bezug auf den von ihm zu ver- mittelnden oder bereits vermittelten Versicherungs- vertrag verpflichtet – nicht aber in Bezug auf die gesonderte Vergütungsvereinbarung. Dieser Liberalisierung der Vergütung von Vermittlern hat der Bundesgerichtshof laut Wirth in einem anderen Urteil vom 12. Dezember 2013 weiteren Vorschub ge- leistet und erklärt, dass auch „ein Versicherungsvertreter sich von seinem Kunden für die Vermittlung einer Lebens- versicherung mit Nettopolice eine Vergütung versprechen lassen kann“. - g 414 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 steuer & recht I ur teile
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