FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
Foto: © Feydzhet Shabanov | stock.adobe.com D er Smog über Chinas Metropolen lich- tet sich, in den Kanälen von Venedig sind plötzlich wieder Fische zu sehen. Die Umwelt, so scheint es, profitiert von der Corona-Pande- mie. Wie sieht es mit den anderen Säulen der Nachhaltigkeit aus? „Was das ‚S‘ in ESG angeht, stel- len wir fest, dass Solidarität ein wichtiger Faktor ist und dass Unternehmen sich sozial verhalten können“, sagt Masja Zandbergen, Head of Sustainability Integration bei Robeco. Manche Fir- men produzieren nun Mundschutzmasken statt T- Shirts, andere liefern Kompo- nenten für Beatmungsgeräte zum Selbstkostenpreis. Auch was den Umgang mit den eigenen Mitarbeitern angeht, zeigen sich selbst konservative Unternehmen plötzlich sehr kulant. „Dazu gehört, dass Angestellte von zu Hause arbeiten können, flexible Arbeitszeiten haben und sich über Telefonkonferenzen austauschen, anstatt Ge- schäftsreisen zu unternehmen“, beobachtet Zandbergen. „Zufälligerweise ist das alles gut im Hinblick auf Gleichheit, Diversität und Umwelt.“ Neue Transparenz Ist das Coronavirus womöglich ein ver- kappter Segen? „Nein“, betont Zandbergen. „Insbesondere nicht aufgrund der tragischen Konsequenzen, die der Aus- bruch des Virus für die betroffenen Menschen hat.“ Sie erinnert zudem daran, dass die Krise die Wirtschaft weitgehend stillstehen lässt. „Damit beeinträchtigt sie die Fähigkeit der Un- ternehmen, langfristigen Mehrwert zu schaffen – nicht nur für Aktionäre, son- dern vor allem auch für die übrigen Stakeholder.“ Die Pandemie sei des- halb auch unter Nachhaltigkeitsaspek- ten nicht per se gut. Ihr Fazit: „Der wichtigste ESG-Aspekt in der Corona- krise ist unsere Antwort darauf.“ Eine Antwort könnte lauten, die Mittel zum Wiederaufbau der Wirtschaft so zu investieren, dass sie dem Kli- maschutz dienen. Eine weitere könnte darin bestehen, dass Anleger ESG-Kriterien künftig noch mehr Beachtung schenken, ihr Geld entspre- chend umschichten – und die Unternehmen damit unter Druck setzen, ihr Geschäftsgebaren tatsäch- lich zu ändern. Doch bevor es um die Konsequenzen aus den aktuellen Verwer- fungen geht, ist ein anderer Aspekt zu erwähnen, der aus Investorensicht äu- ßerst interessant ist: In der Krise zeigt sich, ob ein Unternehmen tat- sächlich so vorbildlich agiert, wie es das zuvor behauptet hat. „Für nachhaltig orien- tierte Investoren stellt die momentane Situation eine gute Gelegenheit dar, besser beurteilen zu können, wie Unter- nehmen auf einen solchen plötzlichen Test ihrer Geschäftsmodelle reagieren und wie sie die Interessen ihrer verschiedenen Stakehol- der abwägen“, sagt Nikita Singhal, Co-Lei- terin Nachhaltigkeitsinvestments bei Lazard Asset Management. Viele Firmen würden sich aktuell um einen Ausgleich zwi- schen kurzfristiger Profitmaximierung und langfristiger Wertentwicklung bemühen, hat Singhal beobachtet. „Beispielsweise hat ein globales Ge- tränkeunternehmen kürz- lich in einem Treffen mit uns angekündigt, dass es nicht beabsichtige, seine chinesi- schen Großhandelskunden für die 2020 erfolgten Bestellungen haftbar zu machen“, berichtet die Lazard-Exper- tin. Solche Nachlässe schaden dem Unternehmen zwar auf kurze Sicht, schützen aber dessen Vertriebspartner ESG geht viral Robuster Trend Was meinen Sie? Wegen der Coronakrise wird sich der Trend zu nachhaltigen Investments … Jeder zweite Berater meint, dass Corona den ESG-Boom befeuert. Quelle: Umfrage auf FONDS professionell ONLINE vom 16.4.– 5.5.2020, 245 Teilnehmer … verlangsamen, weil die Menschen nun andere Probleme haben. 12,6 % … weder beschleunigen noch spürbar verlangsamen. 38,0 % … sogar noch beschleunigen. 49,4 % Nachhaltige Unternehmen behaupten sich in der Coronakrise erstaunlich gut. Vieles spricht dafür, dass dies den Trend zur ökologisch-ethischen Geldanlage noch beschleunigt. Klein und fies: Das neuartige Virus raubt den Menschen den Atem – im wahrs- ten Sinne des Wortes. Die Pandemie hat auch Implika- tionen für die ökologische und ethische Geldanlage. » Wir können viel über die Führung eines Unternehmens lernen, wenn wir sehen, wie es in Krisenzeiten reagiert. « John Streur, Calvert 316 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 esg-spezial I corona-pandemie
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